Die Tudor-Verschwörung: Historischer Roman (German Edition)
tollwütiger Köter.«
Er schob den Riegel zurück und stieß die Tür auf. Ich steckte die Pistole unter den Gürtel und trat in das Gemach.
In der Mitte des Raumes stand eine große Ledertruhe, in der sich Kleider türmten. Der Boden war übersät mit Stößen von Dokumenten und Büchern. In einer Ecke mühten sich zwei Gestalten damit ab, eine massive Holzkiste von der Wand wegzuzerren. Ihre sich vermengenden feuchten Haare in beinahe identischen Blondschattierungen und die schlanken Körper in schweißnassen Kleidern zeugten vom selben Fleisch und Blut.
Als sie die Tür aufgehen hörte, fuhr die Frau zu dem Störenfried herum. Der neben ihr arbeitende Guilford blickte auf – und erstarrte.
»Es wird ja auch allmählich Zeit, dass …«, begann sie und verstummte abrupt. »Wer seid Ihr?«, bellte sie dann. »Wie könnt Ihr es wagen, bei uns einzudringen?« Sie bemühte sich um einen Befehlston, doch ihre Stimme war belegt, ihre Erscheinung weit entfernt von der makellosen, unerbittlichen Matrone, als die ich sie gekannt hatte. Ich stand da und brachte kein Wort hervor.
Dann fiel es mir wieder ein: Ich hatte jetzt einen Bart. Und ich trug eine Kappe.
Ich nahm die Kopfbedeckung ab. »Ich hätte gedacht, Ihr würdet mich sofort erkennen, Mylady.«
Guilford schnappte nach Luft. Den Atem zischend durch die gefletschten Zähne ausstoßend, näherte sich Lady Dudley. Ihr offenes Haar wies erste silberne Strähnen auf, das eingefallene Gesicht darunter war wutverzerrt.
» Du! Warum bist du nicht tot?!«
Ich blickte ihr in die leeren Augen. Jetzt erkannte ich, dass sie krank war. Seit Jahren war sie es schon gewesen, und zwar körperlich wie seelisch. Sie hatte es hinter ihrer eisigen Fassade verborgen, durch die anscheinend nichts hatte dringen können. Doch ihre Krankheit hatte sie von innen zerfressen, und die Untreue ihres Mannes hatte nach Jahren der ehelichen Pflichterfüllung das verzweifelte, wilde Tier bloßgelegt, zu dem sie geworden war. Davon bedroht, nach lebenslanger Selbstaufopferung verlassen zu werden, hatte sie mit aller Tücke, die ihr zu Gebote stand, zugeschlagen. So tödlich sie war, letztlich war unerträglicher Kummer ihr Antrieb gewesen. Und Kummer wiederum war etwas, wovon ich etwas verstand, auch wenn mir meine Erkenntnis keinen Trost brachte.
»Es freut mich, Euch enttäuschen zu müssen«, erklärte ich.
Ihre Lippen zuckten. »Es hat dir ja schon immer Genuss bereitet, ein Ärgernis für deine Umgebung zu sein.« Sie wischte sich eine Strähne aus der Stirn. »Wie lästig! Ich hatte gedacht, ich wäre dich endlich los.«
»Ach, den Gefallen werde ich Euch schon noch tun – sobald Ihr meine Fragen beantwortet habt.«
Sie wartete. Hinter ihr platzte Guilford plötzlich heraus: »Du … du … halte dich bloß von uns fern!«
»Sei still.« Sie wandte den Blick nicht von mir. »Lass ihn fragen, was immer er will. Es kostet uns ja nichts zu hören, wie er seinen Atem vergeudet.«
Ich schlug meinen Umhang zurück und offenbarte Toms Pistole. »Ich bin vielleicht nicht der beste Schütze«, meinte ich, »aber in einem so winzigen Raum wie diesem muss ich zwangsläufig irgendetwas treffen. Oder irgendjemanden.«
Sie baute sich vor mir auf. »Lass meinen Sohn in Frieden. Er weiß nichts. Stell deine elenden Fragen, und verschwinde dann. Ich habe Dringenderes zu erledigen.«
Dieses eine Mal wenigstens sagte sie die Wahrheit. Als die Glocken begonnen hatten zu läuten, waren sie mitten im Packen ihrer Wertsachen gewesen. Wie Jane wusste sie um die Bedeutung dieser Glocken. Sie hatte begriffen, dass ihr Ende nahte. Deswegen hatten sie und Guilford sich darangemacht, die Tür mit der Kiste zu blockieren, um Zeit zu gewinnen, ehe sie offiziell zu Gefangenen erklärt wurden. Genutzt hätte ihnen das freilich nichts. Sie wusste, dass der Kronrat ihn bald des Hochverrats schuldig sprechen würde – ausgerechnet Guilford, ihren Liebling, das einzige ihrer Kinder, an dem ihr Herz hing. Ihrer unersättlichen Rachgier glich nur die animalische Hingabe zu diesem einen Wesen, das sie ganz nach ihren Vorstellungen geformt hatte.
Sie war also auch ein Mensch. Sie konnte lieben. Und hassen.
»Ihr könnt ihn nicht retten«, hielt ich ihr vor. »Die Glocken draußen läuten für Königin Mary. Ihr habt verloren. Guilford Dudley wird nie eine Krone tragen. Wenn er Glück hat, darf er seinen Kopf behalten.«
»Ich zerfetze dich in tausend Stücke, du elender Köter!«, knurrte Guilford.
Lady Dudley
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