Die Tudor-Verschwörung: Historischer Roman (German Edition)
Stafford Eure andere Dame meint, die junge – die ist Euch nicht gefolgt; eben habe ich sie in die andere Richtung davongehen sehen.«
»Sie wird gegangen sein, mir mein Boot vorzubereiten.« Elizabeth betrachtete mich unverwandt, als könnte sie so in mein Inneres schauen. Mit einer ungeduldigen Geste eilte sie dann in den Hof hinaus, wo alles in tiefen Schatten lag. Sie warf einen kurzen Blick über die Schulter. »Warum folgt Ihr mir noch immer?«
Unwillkürlich zuckte meine Hand zur Wamstasche hoch. »Ich fürchte, ich muss immer noch die Order meines Herrn befolgen.«
Ihre Miene wurde hart. »Dann wird diese Order wohl unbefolgt bleiben. Ich glaube, ich habe einstweilen genug Demütigungen durch die Dudleys erfahren.« Im Freien klang ihre empörte Stimme lauter, als es angemessen schien. Wie sie da vor mir stand, wirkte sie wesenlos, fast geisterhaft. Sie war an den Hof gekommen, um ihren Bruder zu sehen, nur um in aller Öffentlichkeit erniedrigt zu werden und sich anhören zu müssen, dass der König, zweifellos auf Befehl des Herzogs, nach Greenwich gereist war. Und obendrein heftete nun auch noch ich mich an ihre Fersen, eine Nervensäge, die sich unbedingt Verdienste erwerben wollte. Mich ekelte vor mir selbst. Was tat ich hier? Sollte Robert doch mit seinem Ring zur Hölle fahren! Ich würde schon eine Ausrede finden, warum ich meinen Auftrag nicht ausgeführt hatte. Wenn ich dafür bestraft oder fortgeschickt wurde, dann sollte es eben so sein. Ich war des Lesens und Schreibens kundig und wusste mich durchzuschlagen. Mit etwas Glück würde ich nicht verhungern.
»Vergebt mir.« Ich verneigte mich. »Ich wollte Eurer Hoheit keinen Kummer bereiten.«
»Mir geht es weit mehr um den Kummer, den mir der Herzog bereitet.« Sie richtete die volle Kraft ihres Blicks auf mich. »Ihr seid dort Diener. Wisst Ihr, was er im Schilde führt?«
Ich zögerte. Master Sheltons Worte klangen mir noch in den Ohren. Sie ist das reinste Gift, genau wie ihre Mutter .
Noch während ich überlegte, wusste ich schon, dass ich mich nicht abwenden, ihrer Frage nicht ausweichen würde, selbst wenn mich das am Ende alles kosten konnte. Ich war an dem unvermeidlichen Scheideweg angelangt, den jeder Mensch irgendwann in seinem Leben erreicht – jenem Moment, da wir, wenn wir das Glück haben, es zu bemerken, eine Entscheidung treffen, die unser ganzes Leben verändert. Elizabeth war das auslösende Element, nach dem ich unwissentlich gesucht hatte; ob giftig oder gutartig, sie bot mir die Chance zu einem neuen Dasein.
»Ich weiß es nicht«, antwortete ich. »Wenn ich es wüsste, würde ich es Euch sagen. Aber ich habe Augen und Ohren; ich habe gesehen, was heute Abend passiert ist, und ich fürchte, was immer er im Schilde führt, es wird für Eure Hoheit nichts Gutes bedeuten.«
Sie neigte abwägend den Kopf. »Nun, zumindest wisst Ihr Euch auszudrücken. Doch ich muss Euch warnen: Ihr bewegt Euch auf unsicherem Boden. Seht Euch vor, wohin Ihr den Fuß setzt, Junker.«
Ich ließ mich nicht beirren. »Ich melde nur das, was ich sehe. Ich habe schon früh im Leben gelernt, hinter die Fassade der Dinge zu schauen.«
Der Anflug eines Lächelns spielte um ihre Lippen. »Anscheinend haben wir da etwas gemeinsam.« Sie verstummte für einen kurzen Moment, und das Schweigen stellte die unsichtbare Grenze zwischen Königskind und gewöhnlichen Menschen wieder her.
»Also, ich höre. Was habt Ihr beobachtet, das Euch auf den Gedanken bringt, ich könnte in Gefahr sein?«
Die unterschwellige Drohung in ihrer Stimme blieb mir nicht verborgen. Dies war in der Tat trügerischer Boden, nicht irgendein Märchen, in dem ich den tapferen Ritter spielen konnte. Wir waren hier am Königshof, wo das Einzige, was zählte, die Macht war. Sie war in diesem Treibsand aufgewachsen, schmeckte seine Salzlauge, seit sie alt genug gewesen war, die Wahrheit über den Tod ihrer Mutter zu erfahren. Doch ob sie es nun eingestand oder nicht, sie wusste, dass wir beide nur Schachfiguren in einem Spiel der Dudleys waren. Das war der einzige Grund, weshalb ich mich nicht davonmachen konnte: Es gab kein Entkommen.
»Ich habe gesehen, dass Ihr überrascht davon wart, nicht zu Seiner Majestät vorgelassen zu werden. Ihr hattet erwartet, dass er im Thronsaal sein und Euch begrüßen würde, was er mit Sicherheit auch getan hätte, wäre er wirklich auf dem Weg der Genesung. Jetzt fürchtet Ihr Euch, weil Ihr nicht wisst, wie es ihm geht und was der Herzog
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