Die Tudor-Verschwörung: Historischer Roman (German Edition)
mit ihm gemacht hat.«
Sie schwieg, reglos wie eine Statue. »Ihr seid wirklich scharfsichtig. Mit solchen Augen könnt Ihr es noch weit bringen. Aber wenn Ihr schon so viel seht, dann möge mich Gott vor denen schützen, die noch mehr Weitsicht besitzen, denn natürlich war jene Travestie im Thronsaal als Warnung an alle gedacht, dass von jetzt an John Dudley, Herzog von Northumberland, dieses Königreich regiert.«
Ich musste gegen den Drang ankämpfen, mich umzuschauen, denn ich erwartete fast schon, den Herzog auf leisen Sohlen herankommen zu sehen, gefolgt von seinen schwarz gekleideten Ratsmitgliedern, allesamt ausgestattet mit der Vollmacht zu unserer Verhaftung.
»Weiß Robin von Eurem Verdacht?«, fragte sie.
Ich schluckte. Es lag mir auf der Zunge, ihr zu sagen, was ich von Robert hielt und was da soeben für ein seltsamer Wortwechsel zwischen Lady Dudley und der Herzogin von Suffolk bezüglich meiner Wenigkeit stattgefunden hatte. Doch alles, was ich hatte, waren nur Verdachtsmomente, und so zog ich es instinktiv vor zu schweigen. Was auch immer die Dudleys mit mir vorhaben mochten, es hatte nichts mit ihr zu tun – noch nicht.
»Eure Hoheit«, sagte ich schließlich, »ich weiß nicht, ob Lord Robert vertrauenswürdig ist. Aber wenn Ihr es befehlt, werde ich versuchen, es herauszufinden.«
Unversehens lachte sie auf, laut und unbefangen, und ebenso plötzlich brach ihr Lachen wieder ab. »Ich glaube wahrhaftig, dass Ihr genau das tun würdet, was Ihr sagt. Offensichtlich hat deren Verderbtheit Euch noch nicht angesteckt.« Sie lächelte traurig. »Was ist es denn, was Ihr Euch von mir ersehnt, mein tapferer Junker? Streitet es nicht ab. Ich sehe es Euch an. Auch mir ist die Sehnsucht nicht fremd.«
Als hätte ich die Antwort schon die ganze Zeit parat gehabt, ohne zu wissen, ob der Moment dafür je kommen würde, platzte ich heraus: »Ich möchte Eurer Hoheit helfen, wohin mich das auch führen mag.«
Sie krampfte die Hände ineinander und blickte hinab zu den Weinflecken, die ihren Rocksaum besudelten. »Ich hatte nicht erwartet, heute Abend einen neuen Freund zu finden.« Sie hob den Blick zu mir. »Sosehr ich das Angebot zu schätzen weiß, muss ich es dennoch ablehnen. Es würde Euer Verhältnis zu Eurem Herrn trüben, das ohnehin nicht sehr gefestigt zu sein scheint. Gegen Geleit zu meinem Boot habe ich allerdings nichts einzuwenden. Meine Damen warten sicher schon dort.«
Trotz eines Gefühls plötzlicher Leere verneigte ich mich beflissen. Sie streckte die Hand aus und berührte mich am Ärmel. »Einen Begleiter«, sagte sie, »der mir Schutz gewährt. Ich gehe voran.«
Ohne ein weiteres Wort führte sie mich durch den Hof und zurück durch den Irrgarten aus stillen, mit Gobelins behängten Säulengängen, vorbei an Kassettenfenstern mit dicken Samtvorhängen, zwischen denen ich hier und da einen Blick auf mondhelle Innenhöfe und Gärten erhaschte. Ich fragte mich, was sie wohl empfand in diesem Palast, der von ihrem Vater für ihre Mutter erbaut worden war, Monument einer Leidenschaft, die England ausgezehrt hatte. Ich konnte nichts in ihrer Miene lesen, das auf irgendeine Gefühlsregung schließen ließ.
Wir kamen in dem nebeldurchwobenen Garten heraus, der zum Bootssteg führte. In banger Erwartung standen dort schon die Gefährtinnen. Mistress Ashley kam sogleich mit dem Umhang der Prinzessin herbeigestürzt, doch Elizabeth hob Einhalt gebietend die Hand. Die andere Begleiterin, Mistress Stafford, blieb stehen, wo sie war, in ihr goldbraunes Cape gehüllt.
Bei ihrem Anblick befiel mich die Sorge, Elizabeth könnte eine Schlange an ihrem Busen nähren. Diese Frau war wirklich höchst undurchsichtig.
Die Prinzessin wandte sich noch einmal mir zu. »Ein weiser Mann sollte jetzt auf seine Sicherheit achten. Die Dudleys brauen einen Sturm zusammen, der das ganze Reich zerfetzen könnte, und wenn es überhaupt eine Gerechtigkeit gibt, werden sie dafür bezahlen. Ich würde lieber nicht mit ihnen in Verbindung gebracht werden – so mancher hat schon für weniger den Kopf eingebüßt.« Sie setzte sich in Bewegung. »Lebt wohl, Junker. Ich glaube nicht, dass wir noch einmal Gelegenheit haben werden, uns zu begegnen.«
Sie schritt über den Steg zu ihrem Boot. Der Umhang wurde ihr über die Schultern gelegt. Von ihren Damen flankiert, stieg sie die Stufen hinab. Kurz danach hörte ich die Ruder des Bootsmanns ins Wasser eintauchen, während die steigende Flut die Prinzessin eilends
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