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Die Tudor-Verschwörung: Historischer Roman (German Edition)

Die Tudor-Verschwörung: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Tudor-Verschwörung: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher W. Gortner
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davontrug, fort vom Hof, fort von mir.
    Nachdem sie meinen Blicken entschwunden war, versuchte ich, mich zu beruhigen. Sie hatte meine Hilfe abgelehnt, aber nur, weil sie besorgt um mich war. Sosehr es mich schmerzte, hoffte ich doch, sie würde London verlassen, solange es ihr noch möglich war. Dieser Hof, dachte ich, Master Cecils warnender Worte eingedenk, war nicht sicher. Nicht für sie.
    Für keinen von uns.
    Ich strich mit der Hand über mein Wams und spürte den Ring in der Tasche. Ich hatte bei meinem ersten – und vermutlich auch letzten – Auftrag für Robert Dudley versagt. Jetzt kümmerte ich mich besser um meine eigene Sicherheit.
    Ich marschierte zurück in den Palast. Nach – wie es mir schien – stundenlangem ziellosen Umherirren fand ich zufällig zu den Stallungen, wo die Hunde, die Augen etwas verquollen, mich mit trägem Kläffen begrüßten, während die Pferde in ihren bunten Boxen weiter schlummerten. Nachdem ich mich vergewissert hatte, dass Cinnabar gut untergebracht und mit genügend Hafer in seiner Krippe versorgt war, suchte ich mir eine grobe Pferdedecke, streifte Wams und Stiefel ab und kuschelte mich ins Stroh. Die raue Decke wickelte ich um mich, als ob sie aus feinstem Leinen wäre.
    Es war warm und behaglich hier, und es roch nach Heimat.

9
    Ich wachte vollkommen desorientiert auf, glaubte, ich wäre wieder daheim auf Dudley Castle und im Pferdestall über einem entwendeten Buch eingenickt. Schläfrig tastete ich nach dem Buch, als die Erinnerung zurückkehrte.
    Ich musste grinsen. Nicht gerade der günstigste Auftakt für eine Karriere am Hof , dachte ich, während ich mich auf einen Ellbogen stützte und nach meinen Stiefeln griff.
    Jäh erstarrte ich.
    Neben dem Heuballen, die Hand in meinem Wams vergraben, hockte ein junger Stallknecht.
    Ich lächelte. »Wenn du das da suchst« – ich reckte die Börse hoch –, »die behalte ich beim Schlafen immer am Leib.«
    Der Junge sprang auf. Mit den zerzausten dunklen Locken und den großen, erschrockenen Augen sah er aus wie ein Engel. Ich erkannte ihn sofort wieder. Es war der gleiche Bursche, dem ich gestern Cinnabar anvertraut hatte, der mit der gierigen Hand. Unter seiner schlichten Tracht aus Sackleinen und Leder war er dürr. Offenbar wusste er aus eigener Erfahrung, was Hunger bedeutete. Ein niederer Stalljunge, vielleicht ebenfalls Waise. London war voll davon, und wo sonst konnte ein elternloser, mittelloser Junge Arbeit finden, wenn nicht im großen Räderwerk des Königshofs?
    Ich zog mir die Stiefel an. »Willst du mir erklären, warum du mich bestehlen wolltest, oder soll ich den Stallmeister rufen?«
    »Ich wollte nicht stehlen. Ich wollte bloß …« Der Junge schwieg. Ich sah es ihm an, dass er nicht daran gedacht hatte, für den Fall, dass er ertappt wurde, eine glaubwürdige Ausrede zu erfinden.
    Ich verkniff mir ein Lächeln. »Ja? Du wolltest – was?«
    Er schob das Kinn vor. »Ihr schuldet mir Geld. Ihr habt mich bezahlt, damit ich Euer Pferd füttere. Aber wenn Ihr es heute wieder gefüttert haben wollt, müsst Ihr mich wieder bezahlen. Wie es aussieht, seid Ihr sowieso kein Edelmann. Und nur Edelleute dürfen ihr Reittier hier gratis unterstellen.«
    »Tatsächlich?« Ich öffnete mein Beutelchen und spürte, welche Genugtuung es mir bereitete, dass ich nun jemand war, der jemandem eine Münze zuwerfen konnte, selbst wenn das vielleicht der letzte Schatz war, den ich je zu Gesicht bekommen würde.
    Der Junge fing den Taler auf. Seine seltsam grün gefleckten Augen verengten sich. »Ist das echtes Gold?«
    »Ich denke schon.« Ich griff nach meinem zerknüllten Wams. »Jedenfalls kann ich’s nur hoffen, nach all der Mühe, die mich das gekostet hat.«
    Während ich in die Ärmel schlüpfte, sah ich den Jungen in die Münze beißen. Mit einem fachmännischen Nicken, das jedem Geldverleiher zur Ehre gereicht hätte, steckte er sie ein. Ich hatte den Verdacht, soeben für einen ganzen Monat Futter und Unterkunft bezahlt zu haben. Doch das machte mir nichts aus. Ich wusste, wie es war, sich ohne jede Belohnung abzumühen. Außerdem hatte ich eine Idee. Vor nicht allzu langer Zeit war ich selbst ein Bursche wie er gewesen, abgefeimt wie ein Straßenköter und ebenso darauf bedacht, nicht unter die Räder zu kommen. Burschen wie wir sahen und hörten mehr, als uns bewusst war.
    »Das hier braucht keiner zu erfahren«, sagte ich. »Ach ja, ich bin übrigens Brendan. Brendan Prescott. Und du?«
    »Ich heiße

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