Die Tudor-Verschwörung: Historischer Roman (German Edition)
königlichem Geblüt, Tochter der jüngeren Schwester unseres verstorbenen Königs Henry. Du musst ihr höchste Achtung zollen.«
Ich ließ mich auf ein Knie nieder. Ein Spaniel mit einem roten, brillantenbesetzten Lederhalsband, gebettet auf einen massiven Schoß, stach mir ins Auge. Der Hund kläffte ein paarmal.
Langsam hob ich den Blick. An einen Berg von Kissen gelehnt, eingekeilt in ein mit Juwelen gespicktes Mieder, die pfirsichroten Röcke gebläht wie ein Galeonensegel, saß ein Monster.
»Ihre Hoheit, Frances Brandon, Herzogin von Suffolk«, säuselte Lady Dudley. »Eure Gnaden, darf ich Euch Junker Prescott vorstellen? Er ist neu an den Hof gekommen, um meinem Sohn zu dienen.«
»Ein Junker?« Der Firnis von Höflichkeit in der Fistelstimme der Herzogin war so brüchig wie eine Pastetenkruste. »Na, ich kann den Kerl nicht sehen, so zusammengeklappt, wie er ist. Auf, auf, Bursche! Lass uns dich mal anschauen.«
Ich tat, wie mir geheißen. Metallisch glänzende Augen bohrten sich in die meinen. Sie musste einmal recht ansehnlich gewesen sein, bevor die Trägheit und die Überfülle der Tafelgenüsse ihren Tribut gefordert hatten. Das Phantom einer üppigen Schönheit war noch immer schwach erkennbar im matt gewordenen, rötlichen Schimmer ihres unter dem mächtigen Kopfputz gelockten Haars, im edlen Schwung ihrer Adlernase und in dem rosigen Teint ihrer Haut, die frei von Falten oder sonstigen Makeln war.
Doch es war ihr Blick, der mich in den Bann schlug – grausam, abschätzend, durchdringend, straften diese Augen die Gleichgültigkeit ihrer Miene Lügen; sie kündeten von einem tyrannischen Wesen, wie es den von Geburt an Privilegierten so oft zu eigen ist.
Ich hielt ihrem Blick nicht lange stand und schlug die Augen nieder. Unter ihrem Rocksaum sah ich ihren linken Fuß in einen lächerlich zierlichen Schuh gequetscht, nach innen gebogen, schrecklich verformt.
Ich hörte sie vor sich hin glucksen. »In meiner Jugend war ich eine gute Reiterin. Und du? Kannst du reiten?«
»Ja, Eure Hoheit«, antwortete ich vorsichtig. »Ich bin unter Pferden aufgewachsen.«
»Er ist auf dem Landsitz unserer Familie aufgezogen worden«, warf Lady Dudley mit seltsam herausfordernder Miene ein. »Vor zwanzig Jahren hat er sich zufällig bei uns eingefunden. Unsere Haushälterin …«
Ein knapper Wink der beringten Wurstfinger schnitt ihr das Wort ab. »Was? Du hast keine Angehörigen?«
Ich warf Lady Dudley einen schnellen Blick zu, obwohl ich wusste, dass sie mir nicht beistehen würde. Sie öffnete leicht den Mund, zeigte stumm die Zähne. Mir rutschte das Herz in die Hose. Sollte ich jetzt etwa abgeschoben werden? So etwas geschah oft genug. Herrschaften tauschten Diener gegen Vorteile aus, sei es als Rückzahlung von Schulden oder einfach, um diejenigen loszuwerden, an denen sie den Gefallen verloren hatten. Hatte sie mich deswegen an den Hof gerufen? Waren all meine Aufstiegshoffnungen nur Wunschträume gewesen?
»Nein, Eure Hoheit.« Ich konnte nicht verhindern, dass meine Stimme zitterte. »Ich bin Waise.«
»Schade.« Ihr Tonfall ließ erkennen, dass sie genug gehört hatte. »Madam«, wandte sie sich munter an Lady Dudley. »Eure Barmherzigkeit gereicht Euch zur Ehre. Ich hoffe, der Junge erweist sich ihrer als würdig.« Ihre Hand wedelte kurz in meine Richtung. »Du kannst gehen.«
Erleichtert verbeugte ich mich, ohne zu vergessen, dass ich einer Person von königlichem Geblüt nicht den Rücken zukehren durfte. Während ich mich gebückt zurückzog, betend, dass ich nicht noch einmal an einen Sessel stieß, beugte Lady Dudley sich zur Herzogin vor und wisperte: »Il porte la marque de la rose.«
Sie konnte nicht wissen, dass ich ihre Worte verstand, da ich mir mithilfe eines von Roberts achtlos weggeworfenen Schulbüchern selbst Französisch beigebracht hatte. Die Herzogin saß da wie versteinert und fixierte mich. Der Hass in ihren Augen ließ mir das Blut in den Adern gefrieren.
Er trägt das Mal der Rose .
Mir wurde flau im Magen. Lady Dudley trat von dem Sessel zurück und knickste. Die Herzogin schien unfähig, sich zu rühren. Hinter ihr, am Rand der Gruppe, glaubte ich einen Bernsteinschimmer zu erhaschen. Ich blinzelte, sah erneut hin. Nichts mehr.
Eine schwere Hand landete auf meiner Schulter. Ich fuhr herum und entdeckte Master Shelton hinter mir, das vernarbte Gesicht vor Wut verzerrt. Er stieß mich unsanft zur Anrichte. »Ich dachte, ich hätte dich mit diesem Weib abziehen
Weitere Kostenlose Bücher