Die Tuer im Schott
»Sie haben hier gesessen und uns dieses Märchen aufgetischt, nur um …«
»Glauben Sie etwa, mir macht das Spaß?« entgegnete Dr. Fell. »Glauben Sie, ich habe auch nur ein einziges Wort gern gesagt oder einen der Schritte, die ich tun mußte, gern getan? Alles, was ich Ihnen über diese Frau und ihren Hexenkult und ihr Verhältnis zu Farnleigh gesagt habe, ist die Wahrheit. Alles. Die Idee zum Mord und der Plan stammen von ihr. Der einzige Unterschied ist, daß sie nicht selbst das Messer führte. Sie war es nicht, die den Automaten wiederbelebte, und sie war es auch nicht, die Sie im Garten sahen. Allerdings« – die Hand auf Knowles’ Schulter faßte kräftiger zu – »wissen Sie ja, wie es bei Gericht zugeht. Sie wissen, wie es ist, wenn die Mühlen der Justiz erst einmal in Gang kommen und wie leicht sie einen Menschen zermalmen können. Und in Gang gesetzt habe ich sie nun. Lady Farnleigh wird am höchsten Galgen baumeln, wenn Sie uns nicht die Wahrheit sagen. Wissen Sie, wer den Mord begangen hat?«
»Natürlich weiß ich das«, knurrte Knowles. »Ha!«
»Und wer war der Mörder?«
»Das ist doch nicht schwer«, schnaubte Knowles. »Und der erbärmliche Bettler hat nur bekommen, was er verdiente. Der Mörder war …«
VIERTER TEIL
Samstag, 8. August
Eines jedoch konnte Flambeau, so geschickt er mit seinen Verkleidungen auch war, nicht verbergen, und das war seine auffällige Größe. Hätte Valentin mit seinen Adleraugen eine groß gewachsene Marktfrau entdeckt, einen hoch aufgeschossenen Grenadier oder auch nur eine halbwegs stattliche Herzogin, so hätte er sie wohl auf der Stelle verhaftet. Doch im ganzen Zug gab es niemanden, der Flambeau in Verkleidung sein konnte, so wenig wie ein Kater eine verkleidete Giraffe sein kann.
G. K. CHESTERTON , Das blaue Kreuz.
Kapitel 21
Ein Brief von Patrick Gore (geborener John Farnleigh) an Dr. Gideon Fell
Eines schönen Tages
auf See.
MEIN LIEBER DOKTOR!
Jawohl, ich war’s. Ich allein habe den Hochstapler umgebracht, ich allein habe all jene Geister beschworen, die Sie offenbar in Sorge versetzt haben.
Ich schreibe Ihnen diesen Brief aus einer Reihe von Gründen. Zunächst: Ich habe (so unvernünftig das auch ist) eine echte Zuneigung zu Ihnen gefaßt und achte Sie sehr. Zum zweiten: Sie haben sich selbst übertroffen. Die Art, wie Sie meinen Rückzug und meine Flucht erzwungen haben, Schritt für Schritt durch jedes Zimmer, zu jeder Tür und schließlich sogar zum Hause hinaus, weckt in einem solchen Maße meine Bewunderung, daß ich mir Auskunft darüber wünschen würde, ob ich Ihren Schlußfolgerungen korrekt gefolgt bin. Ich mache Ihnen das Kompliment, daß Sie der einzige Mensch sind, der mir je geistig überlegen war; allerdings habe ich mich noch nie besonders gut gegen Schulmeister geschlagen. Und zum dritten: Ich glaube, ich habe die eine, einzige wirklich vollkommene Verkleidung gefunden, die es gibt, und nun, wo ich sie nicht mehr brauche, möchte ich ein wenig damit prahlen.
Ich erwarte, daß Sie mir antworten. Bis dieser Brief Sie erreicht, werden ich und meine geliebte Molly schon in einem Land angelangt sein, das keinen Auslieferungsvertrag mit Großbritannien hat. Es ist ein recht heißes Land, und da trifft es sich gut, daß Molly und ich beide eine Schwäche für heiße Gegenden haben. Sobald wir es uns in unserem neuen Heim gemütlich gemacht haben, lasse ich Sie die Adresse wissen.
Eine Bitte hätte ich an Sie. In der Flut empörter Kommentare, die auf unsere Flucht folgen wird, werde ich gewiß von Zeitungen, Gerichten und überhaupt allem, was den Menschen die Augen verdreht, als Teufel, Monstrum, Werwolf und so weiter hingestellt. Sie wissen genau, daß ich nichts dergleichen bin. Mir macht das Morden keine Freude, und wenn ich beim Gedanken an den Tod jenes Dreckskerls keine Reue empfinde, dann hoffentlich deswegen, weil ich kein Heuchler bin. Es gibt Menschen, die haben eine bestimmte Wesensart, so wie Molly und ich. Wenn wir mit unserer Wissenschaft und unseren Tagträumen ein wenig mehr Spannung in die Welt bringen, dann sollte das doch für jene, die in Vorstadthäusern leben, ein Zeichen sein, daß es auch noch etwas Besseres für sie gibt. Wenn Sie also zu hören bekommen, wie jemand über diesen Satan und seine Teufelsbraut herzieht, seien Sie so nett und sagen Sie dem Betreffenden, daß Sie Tee mit beiden von uns getrunken haben und Ihnen keine Hörner und kein Schwefelgeruch
Weitere Kostenlose Bücher