Die Tuer im Schott
begreifen, was hier vorgeht. Weißt du, ich fürchte, ich habe Molly etwas gestanden, was sie mir sehr übelnimmt – aber ich konnte nicht anders, es war der einzige Ausweg. Brian. Du glaubst doch nicht, daß ich ein Biest bin, oder?«
Er war verblüfft. Zwar lächelte sie halb dabei, als wolle sie sich über den Gedanken gleich wieder lustig machen, doch die schmalen Augen blickten ihn forschend an.
»Liebe Güte, nein! Wie kommst du denn auf so eine Idee?«
»Ach, nur so. Aber in Wirklichkeit hat sie ihn nicht geliebt. Sie macht das alles nur, weil sie meint, es wird von ihr erwartet. Glaube mir, auch wenn es noch so anders aussah: Die beiden haben eigentlich nicht zueinander gepaßt. Er war ein Idealist, sie ist praktisch veranlagt. Warte. Ich weiß, er hat sich als jemand ausgegeben, der er nicht war, aber du kennst die Umstände nicht alle, sonst würdest du verstehen …«
»Dann doch lieber das Praktische«, erwiderte Page grimmig.
»Brian!«
»Das ist mein Ernst. Idealisten wie er können mir gestohlen bleiben. Wenn er wirklich all das getan hat, was sie sagen – und was du ja auch schon zugegeben hast –, dann war unser verstorbener Freund ein hundertkarätiges Schwein, und das weißt du auch. Du warst doch nicht etwa selbst in ihn verliebt?«
»Brian! So etwas darfst du nicht sagen!«
»Ich weiß; aber habe ich recht?«
»Nein, hast du nicht«, sagte Madeline gefaßt und blickte zu Boden. »Und wenn du Augen im Kopf hättest oder einmal deinen Verstand gebrauchen würdest, dann müßtest du so etwas nicht fragen.« Sie zögerte; es war offensichtlich, daß sie nicht weiter darüber sprechen wollte. »Was halten denn Dr. Fell und der Inspektor von – der ganzen Sache?«
Er öffnete den Mund zur Antwort, und erst da ging ihm auf, daß er keine Ahnung hatte.
Nicht die leiseste Ahnung. Inzwischen waren sie über die breite, ausgetretene Eichentreppe ins obere Stockwerk gekommen, hatten die Galerie durchquert und bogen nun in einen Gang nach links. Zur Linken kam das Grüne Zimmer, dessen Tür offenstand und den Blick auf schwere Büromöbel des vergangenen Jahrhunderts und Wände in bedrückenden Farben freigab. Zwei Türen zur Rechten führten in Schlafzimmer. Der Gang endete an einem Fenster mit Blick auf den Garten. Die Treppe zum Dachboden – erinnerte Page sich dunkel – befand sich in der Außenmauer, und man erreichte sie durch eine Tür in der linken Wand.
Doch im Augenblick beschäftigte ihn etwas anderes. So umgänglich Dr. Fell auf seine polternde Art auch war, so offen Inspektor Elliot sich gab, hatte er doch, wie ihm erst jetzt aufging, nicht das mindeste von ihnen erfahren. Sicher, beide würden weiterreden bis zum Jüngsten Tag. Aber wie sah es mit den eigentlichen Ermittlungen aus? Ein Fingerabdruck hier, eine Fußspur dort, Elliots Suche im Garten, ein Indiz, das in einen verschlossenen Umschlag kommt? Gewiß, vom Fund des Messers hatte er erfahren, doch auch das wohl nur deshalb, weil es unter den Umständen unvermeidbar war. Aber sonst – hatte er auch nur Vermutungen gehört? Aussagen waren aufgenommen worden; was war von diesen Aussagen nun zu halten?
Natürlich taten sie nur ihre Arbeit, aber trotzdem beunruhigte es ihn. Sie pflügten in einem Boden, von dem er gedacht hätte, er sei längst gründlich umstochen, und brachten neue Erkenntnisse zutage, so wie in Blenheim noch immer Totenschädel aus der Erde kamen, und man ahnte nichts, bis plötzlich der Schädel über den Tisch gerollt kam. Aber das war kein schönes Bild. Der gewaltige Rücken von Dr. Fell, der vor ihm ging, schien die ganze Breite des Ganges zu füllen.
»In welchem Zimmer ist sie?« fragte Elliot leise.
Molly wies auf die hintere der beiden Türen, gegenüber dem Zugang zum Dachboden. Elliot klopfte sanft an die Tür, doch aus dem Inneren drang ein unterdrückter Schrei.
»Betty«, flüsterte Madeline.
»Da drin?«
»Ja. Sie haben sie ins erste Schlafzimmer gebracht, das zur Hand war. Ihr Zustand«, fügte Madeline hinzu, »ist ernst.«
Was man sich darunter vorzustellen hatte, wurde Page erst allmählich klar. Dr. King öffnete die Zimmertür, warf einen Blick über die Schulter, schlüpfte hinaus auf den Gang und schloß sie leise hinter sich.
»Nein«, sagte er. »Sie können noch nicht zu ihr herein. Heute abend vielleicht; aber eher morgen oder erst übermorgen. Ich wünschte, die Beruhigungsmittel wirkten, aber sie schlagen nicht an.«
Elliot blickte ratlos und verwirrt
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