Die Tuer im Schott
auf.
»Meine Damen und Herren Geschworenen«, sagte der Coroner, »eine Zeugenaussage haben wir noch, für die ich um Ihre Aufmerksamkeit bitten möchte, obwohl ich nicht weiß, welchen Inhalts sie sein wird. Auf Mr. Burrows’ Antrag und auf ihre eigene Bitte hin tritt die Zeugin vor, um eine wichtige Aussage zu machen, und ich vertraue darauf, daß sie Ihnen bei Ihrer schwierigen Aufgabe eine Hilfe sein wird. Ich rufe Miss Madeline Dane.«
Page fuhr zusammen.
Ein überraschtes Stimmengewirr erhob sich, und die Herzen der Reporter schlugen schneller, als sie die attraktive Zeugin sahen. Page konnte sich nicht erklären, was sie vorzubringen hatte, und das machte ihn nervös. Leute rückten zur Seite, damit sie nach vorn zum Zeugenstand kommen konnte, der Coroner reichte ihr das Buch, und sie leistete den Eid mit erregter, doch klarer Stimme. Sie kam in einem blauen Kostüm, als trage sie dezente Trauer, und das Dunkelblau des Hutes traf genau die Farbe ihrer Augen. Die angespannte Stimmung löste sich ein wenig, und auch die Geschworenen, die bisher mit hölzerner Miene dagesessen hatten, erwachten zum Leben. Man konnte nicht sagen, daß die Männer sie anlächelten, aber Page hatte doch das Gefühl, daß sie nahe daran waren. Selbst der Coroner mühte sich, es ihr auf dem Stuhl bequem zu machen. Als Liebling der männlichen Bevölkerung der Umgegend war Madeline fast konkurrenzlos, und ein anerkennendes Raunen begleitete ihren Auftritt.
»Noch einmal muß ich zur Ruhe in diesem Raum mahnen!« rief der Coroner. »Würden Sie bitte Ihren Namen nennen?«
»Madeline Elspeth Dane.«
»Ihr Alter?«
»F-fünfunddreißig.«
»Ihre Adresse, Miss Dane?«
»Monplaisir, bei Frettenden.«
»Also, Miss Dane«, sagte der Coroner knapp, aber doch sanft, »Sie haben uns noch etwas über den Verstorbenen mitzuteilen? Welcher Art ist die Aussage, die Sie machen wollen?«
»Es gibt etwas, was ich Ihnen sagen muß. Ich weiß nur nicht, wo ich anfangen soll.«
»Vielleicht kann ich Miss Dane behilflich sein«, meldete sich Burrows zu Wort, der sich mit feuchter Stirn, doch würdevoll erhoben hatte. »Miss Dane, ging es …«
»Mr. Burrows«, fuhr der Coroner, der nun vollends die Geduld verlor, ihn an, »immer wieder stören Sie diese Verhandlung mit einer Respektlosigkeit, die Ihre eigenen Rechte ebenso mißachtet wie die meinen und die ich nicht dulden kann und nicht dulden werde. Sie haben das Recht, die Zeugin zu befragen, wenn ich mit meiner Vernehmung zu Ende gekommen bin, und nicht vorher. Bis dahin verhalten Sie sich ruhig, oder Sie verlassen den Saal. Hrrrr! Ahemm. Also, Miss Dane?«
»Bitte streiten Sie nicht.«
»Wir streiten uns nicht, Madam. Ich ermahne lediglich zu dem Respekt, der diesem Gericht zu zollen ist, einem Gericht, das zusammengekommen ist, um zu ermitteln, wie der Verstorbene zu Tode kam – ein Respekt, den ich mit allen Mitteln aufrechterhalten werde, auch wenn manche« – hier wanderte sein Blick zu den Reportern – »ihn gern mit Füßen treten. Also, Miss Dane?«
»Es geht um Sir John Farnleigh«, sagte Madeline ernst, »und um die Frage, ob er Sir John Farnleigh war. Ich möchte erklären, warum er den Herausforderer und dessen Anwalt so offen aufgenommen hat; warum er sie nicht einfach aus dem Haus geworfen hat; warum er so bereitwillig seine Fingerabdrücke hat nehmen lassen – ach, all die Sachen, die Ihnen vielleicht helfen können zu entscheiden, wie er gestorben ist.«
»Miss Dane, wenn Sie lediglich Ihre Meinung dazu äußern wollen, ob der Verstorbene Sir John Farnleigh war oder nicht, dann muß ich Ihnen leider sagen …«
»Nein, nein, nein. Ich weiß nicht, ob er der echte war. Aber darum geht es ja gerade. Er wußte es nämlich selber nicht.«
Kapitel 15
Dem Aufruhr in dem dämmrigen Schuppen nach zu urteilen, waren alle Anwesenden überzeugt, daß dies die Sensation des Tages war, auch wenn keiner wußte, was es zu bedeuten hatte. Der Coroner räusperte sich und wackelte mit dem Kopf wie eine frisch aufgezogene Marionette.
»Miss Dane, diese Verhandlung ist keine Gerichtsverhandlung, sondern lediglich eine amtliche Ermittlung der Todesursache; deshalb kann ich Ihnen gestatten, an Aussagen vorzubringen, was Sie vorzubringen haben, solange es Aufschlüsse enthält, die uns nützlich sein könnten. Würden Sie wohl so freundlich sein und uns erklären, was Sie meinen?«
Madeline atmete tief durch.
»Wenn Sie mir die Möglichkeit geben, es zu erklären,
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