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Die Tuer im Schott

Die Tuer im Schott

Titel: Die Tuer im Schott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Dickson Carr
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in einem heißen, stickigen Schuppen, so gut sie konnte, für einen toten Freund einsetzte.
    »Es tut mir so leid«, preßte sie hervor. »Vielleicht sollten wir über all das lieber nicht reden; es tut ja auch nichts zur Sache. Ich bitte um Verzeihung, wenn ich Ihnen Ihre Zeit mit Dingen raube, die zu nichts führen …«
    »Darf ich um Ruhe bitten!« rief der Coroner und ließ den Blick über die Reihen der Zuschauer wandern, die zunehmend unruhiger wurden. »Ich bin mir gar nicht so sicher, ob das, was Sie uns erzählen, wirklich nichts zur Sache tut. Gibt es noch etwas, was die Geschworenen wissen sollten?«
    »Ja«, sagte Madeline und wandte sich zu ihnen um. »Eines noch.«
    »Und das wäre?«
    »Als ich hörte, daß ein Herausforderer mit seinem Anwalt kommt und daß sie Anspruch auf den Besitz erheben, da wußte ich, was in Johns Kopf vorging. Sie wissen nun, was ihn die ganze Zeit über quälte. Sie können seine Gedanken und jedes Wort, das er sprach, Schritt für Schritt verfolgen. Sie wissen nun, warum er lächelte und warum ihn die Erleichterung beinahe überwältigte, als er den Herausforderer davon sprechen hörte, wie auf der untergehenden   Titanic   die Schläge mit dem Seemannshammer fielen.   Ihn   hatten diese Schläge getroffen,   sein   Hirn hatten sie gelähmt, daß er fünfundzwanzig Jahre lang sein Gedächtnis verloren hatte.
    Verstehen Sie mich nicht falsch! Ich will nicht behaupten, daß die Geschichte des Herausforderers nicht wahr ist. Das weiß ich nicht und kann ich nicht entscheiden. Doch Sir John – der Mann, den Sie immer nur den Verstorbenen nennen, als sei er nie lebendig gewesen – muß ungeheuer erleichtert gewesen sein, als er etwas hörte, was für seine Begriffe ja auf keinen Fall die Wahrheit sein konnte. Endlich schien sein Traum sich zu erfüllen, und seine Identität sollte bewiesen werden. Nun werden Sie auch verstehen, warum er mit Freuden zustimmte, als der Vorschlag kam, die Fingerabdrücke zu nehmen. Sie werden verstehen, warum er bei dieser Zusammenkunft der eifrigste von allen war. Sie werden verstehen, warum seine Nerven zum Zerreißen gespannt waren und warum er es gar nicht erwarten konnte, das Ergebnis zu hören.«
    Madeline umklammerte die Lehnen ihres Stuhls.
    »Bitte. Vielleicht erkläre ich es Ihnen schlecht, aber ich hoffe, daß Sie mich verstehen. Sich Gewißheit zu verschaffen, ob nun in die eine oder in die andere Richtung, war für ihn das Wichtigste im Leben. Wenn er wirklich Sir John Farnleigh war, würde er glücklich bis ans Ende seiner Tage leben. Und wenn er es nicht war, würde er auch damit zurechtkommen, wenn nur endlich die Unsicherheit vorbei war. Es war wie beim Fußballtoto. Man setzt einen Sixpence. Man malt sich aus, daß man Tausende und Abertausende gewinnt. Man ist sich so gut wie sicher, man könnte schwören, daß man gewonnen hat. Aber Gewißheit hat man erst, wenn das Telegramm kommt. Und wenn die Frist um ist und kein Telegramm ist gekommen, dann denkt man: »Na, dann eben nicht«, und die Sache ist vergessen. Und so war es bei John Farnleigh. Dies hier war sein Fußballtoto. Anstand und Ehre und jede Nacht gut schlafen können: das war sein großer Preis. Das Ende der Qual, der Anfang der Zukunft: das war die Hoffnung. Und in dem Augenblick war er sich sicher, daß er gewonnen hatte. Und da wollen die Leute uns weismachen, er hätte sich umgebracht. Glauben Sie das nicht, keine Sekunde lang. Sie wissen es besser. Wollen Sie denn wirklich glauben, wollen Sie es   wagen   zu glauben, daß er sich selbst die Kehle durchschnitt, eine halbe Stunde, bevor er das Ergebnis erfahren hätte?«
    Sie legte sich die Hand vor die Augen.
    Nun folgte ein regelrechter Tumult, doch der Coroner brachte die Menge zum Verstummen. Mr.   Harold Welkyn hatte sich erhoben. Page sah, daß sein glänzendes Gesicht ein wenig fahl geworden war, und er sprach, als sei er außer Atem.
    »Mr.   Coroner. Als Plädoyer für den Verstorbenen hat dieser Vortrag gewiß seinen rhetorischen Wert«, setzte er grimmig an. »Ich werde nicht so impertinent sein, Sie an Ihre Pflichten zu erinnern. Ich werde nicht so impertinent sein, Sie darauf hinzuweisen, daß während der letzten zehn Minuten nicht eine einzige Frage mehr gestellt wurde. Aber wenn die Zeugin mit ihren bemerkenswerten Ausführungen zu Ende gekommen ist – die, wenn sie die Wahrheit sind, belegen, daß der Verstorbene ein noch größerer Hochstapler war, als wir alle glaubten –, dann

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