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Die Türen seines Gesichts

Die Türen seines Gesichts

Titel: Die Türen seines Gesichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roger Zelazny
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Ihre Beziehung nur kurz …“
    „Ich muß schon bitten!“ unterbrach sie. „Das passende Wort dafür ist ‚Gemeinsamkeit’.“
    „Nun gut“, verbesserte er sich, „,Gemeinsamkeit’. Aber Museen spiegeln die Vergangenheit wider, die tot ist, und die Gegenwart, die ignoriert wird, und geben das kulturelle Erbe der Rasse an die Zukunft weiter, die noch nicht geboren ist. In diesem Punkte kommen Sie nahe an die Funktion eines Tempels der Religion.“
    „So habe ich das nie betrachtet“, sinnierte sie. „Eigentlich ein sehr schöner Gedanke. Sie hätten Lehrer sein sollen.“
    „Ein schlechtbezahlter Beruf, aber der Gedanke tröstet mich. Kommen Sie, wir wollen sehen, was wir im Kühlschrank finden.“
    Sie verspeisten ihr Eiscremedessert und diskutierten den Gefallenen Achilles. Sie hatten dazu unter dem großen Mobile Platz genommen, das an einen verhungerten Oktopus erinnerte. Er erzählte ihr von seinen anderen großen Vorhaben und von den widerlichen Kritikern, sauertöpfisch und blutlos, die in den Sonntagsbeilagen der Zeitungen lauerten und das Leben haßten. Sie erzählte ihm dafür von ihren Eltern, die etwas von Kunst verstanden und auch wußten, warum dies nichts für sie war, und vom immensen Vermögen ihrer Eltern, gleichmäßig auf Wälder, Immobilien und Erdöl verteilt. Er täschelte ihr darauf den Arm, und sie blinzelte kräftig und lächelte dann hellenisch.
    „Wissen Sie“, sagte er schließlich, „wie ich so Tag für Tag auf meinem Podest saß, dachte ich mir oft: Vielleicht sollte ich zurückkehren und mir noch ein einziges Mal Mühe geben, den Star im Auge der Öffentlichkeit zu durchstechen – vielleicht, wenn ich von materiellen Sorgen befreit und sicher wäre – vielleicht, wenn ich die richtige Frau finden könnte – aber nein! So jemanden gibt es nicht!“
    „Weiter! Bitte weiter!“ rief sie. „Auch ich habe in den letzten Tagen gedacht, daß es vielleicht jemanden geben könnte, einen anderen Künstler, der den Stachel entfernen könnte. Vielleicht könnte ein Schöpfer des Schönen das Gift der Einsamkeit entfernen … wenn wir …“
     
    An dieser Stelle räusperte sich ein kleiner, häßlicher, mit einer Toga bekleideter Mann.
    „Es ist so, wie ich befürchtet habe“, verkündete er.
    Er war hager, runzlig und schmierig; ein Mann, dem man die Magengeschwüre ansah und die Griesgrämigkeit. Er deutete mit anklagendem Finger auf sie.
    „Es ist, wie ich befürchtet habe“, wiederholte er.
    „W-w-wer sind Sie?“ fragte Gloria.
    „Cassius“, erwiderte er. „Cassius Fitzmullen – Kunstkritiker im Ruhestand von der Dalton Times. Sie planen zu fliehen.“
    „Und was geht das Sie an, wenn wir hier weggehen?“ fragte Smith und spannte seine Gladiatoren- und Footballmuskeln.
    Cassius schüttelte den Kopf.
    „Was es mich angeht? Wenn Sie jetzt weggehen, wäre das eine Gefahr für unsere ganze Art zu leben. Wenn Sie gehen, werden Sie zweifellos ein Künstler oder ein Kunstlehrer – und über kurz oder lang werden Sie durch Wort oder Geste, durch ein Zeichen oder eine unbewußte Andeutung das mitteilen, was Sie die ganze Zeit geargwöhnt haben. Ich habe mir Ihre Gespräche in den letzten paar Wochen angehört. Sie wissen jetzt ganz sicher, daß dies der Ort ist, an den am Ende alle Kunstkritiker kommen, um ihre letzten Tage zu verbringen und die Dinge zu verspotten, die sie gehaßt haben. Das erklärt den Zuwachs an römischen Senatoren in den letzten Jahren.“
    „Ich habe es oft geargwöhnt, aber war nie sicher.“
    „Der Argwohn genügt. Er ist tödlich. Sie müssen abgeurteilt werden.“
    Er klatschte in die Hände.
    „Urteil!“ rief er.
    Andere alte Römer traten langsam ein, eine Prozession gebeugter Kerzen. Sie umkreisten die zwei Liebenden. Nach Staub und Druckerschwärze riechend, nach Bitterkeit und Zeit, drängten sich die alten Kritiker um sie.
    „Sie wollen zur Menschheit zurückkehren“, verkündete Cassius. „Sie wollen gehen und ihr Wissen mitnehmen.“
    „Wir würden nichts verraten“, sagte Gloria unter Tränen.
    „Es ist zu spät“, antwortete eine finstere Gestalt. „Sie sind bereits in den Katalog aufgenommen. Sehen Sie doch!“ Er brachte ein Exemplar des Museumskataloges zum Vorschein und las: „,Nummer 28, Klagende Hekuba, Nummer 32, Der Geschlagene Gladiator’. Nein! Es ist zu spät. Man würde Nachforschungen anstellen.“
    „Urteil!“ wiederholte Cassius.
    Langsam drehten die Senatoren ihre Daumen nach unten.
    „Sie können

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