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Die Türen seines Gesichts

Die Türen seines Gesichts

Titel: Die Türen seines Gesichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roger Zelazny
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nicht gehen.“
    Smith lachte und packte Cassius’ Tunika mit der kräftigen Hand eines Bildhauers.
    „Kleiner Mann“, sagte er, „wie beabsichtigen Sie, uns aufzuhalten? Ein einziger Schrei von Gloria würde den Wachmann herbeirufen, und der würde Alarm schlagen. Ein einziger Schlag von mir würde Sie auf eine Woche bewußtlos machen.“
    „Wir haben das Hörgerät des Wachmannes abgestellt, als er schlief“, antwortete Cassius lächelnd. „Ich kann Ihnen versichern, daß Kritiker nicht ganz ohne Phantasie sind. Lassen Sie mich los, sonst wird es Ihnen leid tun.“
    Smith verstärkte seinen Griff.
    „ Versuchen Sie doch etwas.“
    „Urteil“, sagte Cassius lächelnd.
    „Er ist modern“, sagte einer.
    „Er hat also einen katholischen Geschmack“, sagte ein anderer.
    „Die Christen vor die Löwen!“ rief ein Dritter und klatschte in die Hände.
    Und Smith sprang erschreckt zurück, als er sah, wie sich in den Schatten etwas regte. Cassius riß sich los.
    „Das können Sie nicht tun!“ rief Gloria und bedeckte ihr Gesicht. „Wir stammen aus der Griechischen Periode!“
    „Griechen und Römer haben sich immer gut verstanden“, meinte Cassius lachend.
    Der Geruch von großen Raubkatzen drang an ihre Nase.
    „Wie konnten Sie … hier …? Ein Löwe …?“ fragte Smith.
    „Eine Form der Hypnose, die nur unser Berufsstand kennt“, erklärte Cassius. „Wir halten das Tier die meiste Zeit paralysiert. Haben Sie sich nie gefragt, weshalb in diesem Museum nie etwas gestohlen wurde? Oh, man hat das schon versucht! Wir schützen unsere Interessen.“
     
    Der schlanke Albino-Löwe, der sonst neben dem Haupteingang schlief, trat aus dem Schatten und knurrte – einmal, laut.
    Smith schob Gloria hinter sich, als die Katze sich auf ihn zuschob. Er warf einen Blick zum Forum hinüber, das sich als leer erwies. Ein Geräusch wie der Flügelschlag einer Anzahl lederner Tauben verhallte in der Ferne.
    „Wir sind allein“, stellte Gloria fest.
    „Lauf weg“, befahl Smith, „dann versuche ich ihn aufzuhalten. Lauf hinaus, wenn du kannst.“
    „Ich soll dich verlassen? Nie, mein Geliebter! Wir bleiben zusammen! Jetzt und immer!“
    „Gloria!“
    „Jay Smith!“
    In diesem Augenblick beschloß die Bestie einen Satz zu machen, was sie auch prompt in die Tat umsetzte.
    „Leb wohl, meine Schöne.“
    „Leb wohl. Ein Kuß, bevor wir sterben, bitte.“
    Der Löwe war hoch in der Luft, stieß gesunde hustende Laute aus, und seine Augen schimmerten grünlich.
    „Gut.“
    Sie umarmten sich.
    Der Mond in Gestalt einer Katze, jenes bleichsten aller Tiere, hing über ihnen – hing hoch, hing drohend, hing lang …
    Und dann begann die Katze sich zu winden und wild in jenem mittleren Raum zwischen Boden und Decke um sich zu schlagen, für den die Architektur keinen besonderen Begriff geprägt hat.
    „Mm! Noch ein Kuß?“
    „Warum nicht? Das Leben ist süß.“
    Eine Minute rannte auf lautlosen Füßen vorbei; eine weitere folgte ihr.
    „Sag mal, was hält diesen Löwen dort oben fest?“
    „Ich“, antwortete das Mobile. „Ihr Menschen seid nicht die einzigen, die unter den Überresten eurer toten Vergangenheit Schatten sucht.“
    Die Stimme war dünn und zerbrechlich, wie die einer besonders emsigen Äolsharfe.
    „Ich will ja nicht neugierig sein“, sagte Smith, „aber wer sind Sie?“
    „Ich bin eine extraterrestrische Lebensform“, klimperte es zurück, während es den Löwen verdaute. „Mein Schiff hat auf dem Flug zum Arkturus einen Unfall erlitten. Ich entdeckte bald, daß mein Aussehen auf Ihrem Planeten gegen mich sprach, nur in den Museen nicht, wo man mich sehr bewundert. Als Angehöriger einer ziemlich zarten und, wenn ich so sagen darf, etwas narzißtischen Rasse …“ Er unterbrach sich, rülpste genießerisch und fuhr dann fort. „Es gefällt mir hier ziemlich gut – ‚inmitten heller Sterne auf diesem finsteren Ball aus Asche, verloren’.“
    „Ich verstehe“, sagte Smith. „Danke, daß Sie den Löwen gegessen haben.“
    „Keine Ursache – aber ganz ratsam war das nicht. Wissen Sie, ich werde mich jetzt teilen müssen. Kann mein anderes Ich mit Ihnen kommen?“
    „Natürlich. Sie haben uns das Leben gerettet, und wir brauchen ohnehin etwas, das wir ins Wohnzimmer hängen können, wenn wir eines haben.“
    „Gut.“
    Er teilte sich, in einem wirren Durcheinander aus Zittern und Beben, und fiel neben ihnen zu Boden.
    „Leb wohl, Ich“, rief er hinauf.
    „Leb wohl“,

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