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Die Türen seines Gesichts

Die Türen seines Gesichts

Titel: Die Türen seines Gesichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roger Zelazny
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stürzt, ist dies eine Art Ruhm. So zu enden, aus der Höhe herabgeschleudert in die Tiefen, ist ein gebührender Höhepunkt für den Verlierer – denn auch der Sturz erschüttert Berge und Geister, regt die Dinge wie die Gedanken an, die unter beidem ruhen, ist eine Art Girlande des Sieges im Untergang und kalt, so kalt, jener letzte Akt, der die Bewegung irgendwo für immer in die statuenähnliche Starre der letzten Absicht einfriert, als Symbol eines Sieges, den nur das Universelle, Böse, das wir alle fürchten, zunichte gemacht hat. Jemand, der sich zum Heiligen oder zum Helden ausersehen fühlt und dem irgendeine notwendige Tugend fehlt, kann sich immer noch zum Märtyrer qualifizieren, denn das einzige, an das die Menschen sich am Ende wirklich erinnern, ist das Ende. Ich hatte gewußt, daß ich den Kasla ersteigen mußte, so wie ich all die anderen erstiegen hatte, und ich hatte gewußt, was der Preis sein würde. Es hatte mich mein einziges Zuhause gekostet. Aber der Kasla war da, und meine Stiefel schrien nach meinen Füßen. Und während ich mich entschloß, wußte ich, daß irgendwo unter mir eine Welt zu Ende ging, während ich sie, die Stiefel, auf den Gipfel setzte. Was ist schon eine Welt, wenn der Augenblick des Sieges zur Hand ist? Und wenn Wahrheit, Schönheit und Güte eins sind, warum dann immer dieser Konflikt zwischen ihnen?
    Die Phantom-Bogenschützen schossen ihre Pfeile auf mich, und der feurige Vogel stieß herunter.
     
    Wir sahen den Gipfel.
    Auf hundertsechsundsiebzigtausend Fuß, während wir uns an einem schmalen Sims entlangarbeiteten, den Fels mit unseren Pickeln prüften, hörten wir Vince sagen: „Schaut!“
    Das taten wir.
    Oben, weit oben und noch weiter, vom blauen Frost umgeben und scharf, tödlich und kalt wie Lokis Dolch, den Himmel zerschneidend, vibrierte er über uns wie Elektrizität, hing da wie ein Stück gefrorenen Donners, und schnitt, schnitt, schnitt mitten hinein in den Geist, der unser Wunsch war, bog sich und wurde zu einem Fischhaken, der uns weiterzog, um uns dann mit seinen Widerhaken zu verbrennen.
    Vince war der erste, der hinaufblickte und den Gipfel sah, der erste, der starb. Es ging so schnell, und keiner der Schrecken, die uns bedrängten, trug Schuld daran.
    Er glitt aus.
    Das war alles. Es war ein schweres Wegstück. Im einen Augenblick war er noch dicht hinter mir, im nächsten verschwunden. Es gab keine Leiche zu bergen. Es war ein einziger langer Sturz. Das lautlose Blau war rings um ihn, und das große Grau begann darunter. Dann waren wir sechs. Wir schauderten, und wahrscheinlich betete jeder von uns auf seine Art.
    … Es gibt dich nicht mehr, Vince, möge irgendein guter Deva dich den Pfad der Herrlichkeit hinaufführen. Mögest du am anderen Ende das finden, was du dir am meisten wünschtest, möge es dort deiner harren. Und wenn es so etwas gibt, dann erinnere dich derer, die diese Worte sagen, du starker Herausforderer des Himmels …
    Den Rest des Tages sagte keiner von uns viel.
    Der feurige Schwertträger kam und stand die ganze Nacht über unserem Lager. Er sprach nicht.
    Am Morgen war Stan verschwunden, und unter meinem Rucksack lag ein Zettel.
     
    Haßt mich nicht, stand darauf, weil ich weggelaufen bin, aber ich glaube, es ist wirklich ein Engel. Ich habe Angst vor diesem Berg. Ich ersteige jeden Haufen Steine, aber ich kämpfe nicht gegen den Himmel. Der Weg nach unten ist leichter als der Weg nach oben, macht euch also meinetwegen keine Sorgen. Viel Glück. Versucht mich zu verstehen.
     
    Jetzt waren wir fünf – Doc und Kelly, Henry und Mallardi und ich –, und an jenem Tag erreichten wir die Hundertachtzigtausend und fühlten uns sehr einsam.
    In jener Nacht kam das Mädchen wieder und sprach zu mir, schwarzes Haar vor dem schwarzen Himmel und Augen wie Punkte aus blauem Feuer, und sie stand neben einer eisigen Säule und sagte: „Zwei von euch sind gegangen.“
    „Und wir anderen bleiben“ erwiderte ich.
    „Eine Weile noch.“
    „Wir werden zum Gipfel steigen, und dann gehen wir weg“, sagte ich. „Wie kann dir das schaden? Warum haßt du uns?“
    „Das ist nicht Haß, Herr“, sagte sie.
    „Was dann?“
    „Ich schütze.“
    „Was? Was ist es, das du schützt?“
    „Das Sterben, damit sie leben kann.“
    „Was? Wer stirbt? Wie?“
    Aber ihre Worte verklangen irgendwo, und ich hörte sie nicht. Dann ging auch sie, und für den Rest der Nacht gab es nur Schlaf.
     
    Einhundertzweiundachtzigtausend, dann drei und

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