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Die Türme der Mitternacht

Die Türme der Mitternacht

Titel: Die Türme der Mitternacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jordan
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warm und gefährlich. In dieser Konzentration fand er Klarheit. Die Welt zersplitterte, zerbrach jeden Tag ein Stückchen mehr. Sie brauchte Hilfe, und zwar sofort. War ein Ding erst einmal zersplittert, konnte man es nicht wieder zusammenfügen.
    »Neald«, sagte Gradys Stimme. Es klang drängend, aber Perrin nahm sie wie aus weiter Ferne wahr. »Neald, was tut Ihr da?«
    »Ich weiß nicht«, erwiderte Neald. »Aber es fühlt sich richtig an.«
    Perrin hieb weiter darauf ein, immer härter. Er faltete das Metall, verflachte Stücke aufeinander. Der Asha’man hielt die Temperatur auf großartige Weise immer genau richtig. Das befreite Perrin davon, sich auf die wenigen Augenblicke perfekter Temperatur zwischen verschiedenen Phasen der Erhitzung verlassen zu müssen.
    Das Metall schien zu fließen, als würde es allein von seinem Willen geformt. Was stellte er da überhaupt her? Er nahm die anderen beiden Werkstücke aus den Flammen, dann fing er an, alle drei gleichzeitig zu bearbeiten. Das erste - und größte - Stück faltete er in sich zusammen und formte es, benutzte eine Technik namens Stauchen, womit er den Umfang vergrößerte. Er formte es zu einer großen Kugel, dann fügte er noch mehr Stahl hinzu, bis es beinahe die Größe eines Männerkopfes hatte. Das zweite Stück zog er in die Länge und machte es dünn, dann faltete er es zu einem schmalen Stab zusammen. Das dritte und kleinste Stück klopfte er flach.
    Er atmete ein und aus, und seine Lungen arbeiteten wie Blasebälge. Sein Schweiß war wie das Ablöschwasser. Seine Arme waren wie der Amboss. Er war die Schmiede.
    »Weise Frauen, ich brauche einen Zirkel«, sagte Neald drängend. »Jetzt sofort. Sagt nichts! Ich brauche ihn!«
    Funken flogen in die Luft, als Perrin zuschlug. Mit jedem Schlag größere Wolken. Er fühlte, wie etwas aus ihm heraussickerte, als würde jeder Schlag das Metall mit seiner Kraft und auch seinen Gefühlen versehen. Sowohl den Sorgen wie auch den Hoffnungen. Sie flossen aus ihm in diese drei Rohstücke.
    Die Welt lag im Sterben. Er konnte sie nicht retten. Das war Rands Aufgabe. Perrin wollte einfach wieder zu seinem einfachen Leben zurückkehren, oder nicht?
    Nein. Nein, er wollte Faile, er wollte Vielschichtigkeit. Er wollte das Leben. Er konnte sich nicht verstecken, genauso wenig, wie sich die Menschen verstecken konnten, die ihm folgten.
    Er wollte ihre Loyalität nicht. Aber er hatte sie. Wie würde er sich fühlen, wenn jemand anders den Befehl übernahm und sie in den Tod führte?
    Schlag auf Schlag. Wild sprühende Funken. Zu viele, als würde er auf einen Eimer mit geschmolzener Flüssigkeit einschlagen. Funken schossen in die Luft, explodierten von seinem Hammer, flogen so hoch wie Baumwipfel und breiteten sich mehr als zehn Schritte weit aus. Die Beobachter zogen sich zurück, nur die Asha’man und Weisen Frauen blieben; sie hatten sich um Neald geschart.
    Ich will sie nicht führen, dachte Perrin. Aber wenn ich es nicht tue, wer dann? Wenn ich sie verlasse und sie sterben, dann ist es meine Schuld.
    Er erkannte nun, was er da herstellte, was er die ganze Zeit versucht hatte herzustellen. Den größten Klumpen formte er zu einem Ziegel. Das lange Stück wurde eine drei Finger breite Stange. Das flache Stück wurde zu einer Halterung, ein Stück Metall, das Kopf und Stiel miteinander verband.
    Ein Hammer. Er fertigte einen Hammer. Das waren die Einzelteile.
    Endlich begriff er.
    Er wuchs an seiner Aufgabe. Schlag um Schlag. Diese Schläge waren so laut. Jeder Schlag schien den Boden zu seinen Füßen erbeben zu lassen, rüttelte an den Zelten. Perrin frohlockte. Er wusste, was er da herstellte. Endlich wusste er, was er machte.
    Er hatte nicht darum gebeten, Anführer zu werden, aber entband ihn das von jeder Verantwortung? Die Menschen brauchten ihn. Die Welt brauchte ihn. Und mit einer Erkenntnis, die in ihm abkühlte wie geschmolzener Stein, der eine Form annahm, wurde ihm klar, dass er führen wollte.
    Wenn schon jemand der Lord für diese Leute sein musste, dann wollte er es selbst sein. Denn es selbst zu machen war die einzige Möglichkeit, dafür zu sorgen, dass es richtig gemacht wurde.
    Er benutzte Meißel und Rundhorn, formte ein Loch in der Mitte des Hammerkopfes, dann nahm er den Stiel, hob ihn hoch über den Kopf und rammte ihn an Ort und Stelle. Er nahm die Halterung und schob den Hammer hinein, formte sie zurecht. Noch vor Augenblicken hatte sich diese Arbeit von seinem Zorn genährt. Aber jetzt

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