Die Türme der Mitternacht
die im Vorratslager debattierten, Soldaten, die mürrisch Gräben für die Exkremente gruben. Jeder kannte seinen Platz außer Morgase. Diener wichen vor ihr zurück und verbeugten sich zögernd, unsicher, wie sie sich ihr gegenüber verhalten sollten. Sie war keine Königin, aber auch keine weitere Adlige. Und mit Sicherheit war sie keine Dienerin mehr.
Obwohl ihre Begegnung mit Galad sie daran erinnert hatte, wie es war, eine Königin zu sein, war sie für alles dankbar, was sie als Maighdin gelernt hatte. Das war gar nicht so schlimm wie befürchtet gewesen; die Arbeit als Zofe einer Dame hatte durchaus Vorteile gehabt. Die Kameradschaft der anderen Diener, die Freiheit von der Last der Führung, die mit Tallanvor verbrachte Zeit…
Aber das war nicht ihr Leben. Die Zeit war gekommen, damit aufzuhören, so zu tun, als wäre es das.
Schließlich fand sie Basel Gill bei der Beladung des Wagens. Lini überwachte alles, Lamgwin und Breane halfen ihm. Faile hatte Breane und Lamgwin aus ihren Diensten entlassen, damit sie Morgase dienen konnten. Morgase hatte sich jeder Bemerkung enthalten, dass Faile ihr so großmütig die eigenen Diener zurückgab.
Tallanvor war nicht da. Nun, sie konnte sich nicht länger wie ein Mädchen nach ihm verzehren. Sie musste nach Caemlyn zurückkehren und Elayne unterstützen.
»Euer Majest…«, sagte Meister Gill und verneigte sich. Er zögerte. »Ich meine, meine Lady. Entschuldigt.«
»Das macht nichts, Meister Gill. Ich denke auch nicht immer daran.«
»Bist du sicher, dass du das tun willst?« Lini verschränkte die dürren Arme.
»Ja«, sagte Morgase. »Es ist unsere Pflicht, nach Caemlyn zurückzukehren und Elayne die Hilfe anzubieten, die wir geben können.«
»Wenn du das sagst«, erwiderte Lini. »Ich persönlich bin ja eher der Ansicht, dass derjenige, der zwei Hähne auf demselben Hof erlaubt, das Theater verdient, das er bekommt.«
Morgase runzelte die Stirn. »Schön. Aber ich glaube, du wirst sehen, dass ich durchaus dazu imstande bin, Elayne zu helfen, ohne ihre Autorität zu untergraben.«
Lini zuckte mit den Schultern.
Sie hatte nicht ganz unrecht. Morgase musste vorsichtig sein. Ein zu langer Aufenthalt in der Hauptstadt konnte einen Schatten auf Elayne werfen. Aber wenn Morgase etwas aus ihren Monaten als Maighdin gelernt hatte, dann, dass Menschen etwas Produktives tun mussten, selbst wenn es nur darum ging, Tee zu servieren. Sie verfügte über Fähigkeiten, die für Elayne in den kommenden gefährlichen Zeiten von Nutzen sein konnten. Sollte sie allerdings anfangen, ihre Tochter in den Schatten zu stellen, würde sie Caemlyn verlassen und sich auf ihre Güter im Westen zurückziehen.
Die anderen arbeiteten schnell, um mit dem Beladen fertig zu werden, und Morgase musste die Arme verschränken, um nicht mit anzupacken. Es lag eine gewisse Erfüllung darin, sich um sich selbst zu kümmern. Während sie wartete, bemerkte sie, dass jemand aus Weißbrücke geritten kam. Tallanvor. Was hatte er in der Stadt getan? Er entdeckte sie und kam heran, dann verneigte er sich, das schmale Gesicht ein Modell der Ehrerbietung. »Meine Lady.«
»Du hast die Stadt besucht? Hattest du Lord Aybaras Erlaubnis?« Perrin hatte vermeiden wollen, dass die Stadt von Soldaten und Flüchtlingen überflutet wurde, was nur Ärger bringen würde.
»Meine Lady, ich habe dort Familie«, sagte Tallanvor und stieg aus dem Sattel. Seine Stimme war steif und förmlich. »Ich hielt es für klug, den Neuigkeiten auf den Grund zu gehen, die Lord Aybaras Späher berichteten.«
»Ist das so, Gardeleutnant Tallanvor?«, fragte Morgase. Wenn er so förmlich sein wollte, dann konnte sie das auch. Lini ging mit einem Arm voll Leinen vorbei, das eingepackt werden sollte, und kommentierte Morgases Tonfall mit einem Schnauben.
»Ja, meine Lady«, erwiderte Tallanvor. »Meine Lady… wenn ich einen Vorschlag machen darf?« » Sprecht.«
»Den Berichten zufolge hält Euch Eure Tochter noch immer für tot. Ich bin sicher, dass Lord Aybara seinen Asha’man befiehlt, uns ein Wegetor nach Caemlyn zu machen, wenn wir ihn darum bitten.«
»Ein interessanter Vorschlag«, sagte Morgase bedächtig und ignorierte das hämische Grinsen auf Linis Gesicht, als sie in die andere Richtung zurückging.
»Meine Lady«, sagte Tallanvor und sah Lini nach, »könnten wir unter vier Augen sprechen?«
Morgase nickte und ging dann in Richtung Lagerrand. Tallanvor folgte ihr. Ein kurzes Stück entfernt drehte sie sich
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