Die Türme der Mitternacht
um und sah ihn an. »Nun?«
»Meine Lady«, fuhr er mit sanfterer Stimme fort. »Der andoranische Hof wird mit Sicherheit erfahren, dass Ihr noch am Leben seid, jetzt, da es Aybaras ganzes Lager weiß. Wenn Ihr Euch nicht zeigt und erklärt, dass Ihr auf den Thron verzichtet habt, könnten die Gerüchte Eures Überlebens Elaynes Autorität untergraben.«
Morgase schwieg.
»Wenn die Letzte Schlacht wirklich naht«, sagte Tallanvor, »dann können wir es uns nicht leisten …«
»Ach, sei still«, sagte sie barsch. »Ich habe Lini und den anderen bereits befohlen, die Sachen zu packen. Ist dir nicht aufgefallen, was sie tun?«
Tallanvor errötete, als er bemerkte, dass Gill eine Truhe herbeischleppte und auf den Wagen stemmte.
»Ich entschuldige mich für meine Dreistigkeit. Mit Eurer Erlaubnis, meine Lady.« Tallanvor nickte ihr zu und wandte sich zum Gehen.
»Müssen wir denn so förmlich miteinander sein, Tallanvor?«
»Die Illusion ist vorbei, meine Lady.« Er ging.
Morgase sah ihm nach und fühlte einen Stich im Herzen. Verflucht sollte ihre Sturheit sein! Verflucht sollte Galad sein! Seine Ankunft hatte sie an ihren Stolz und ihre königlichen Pflichten erinnert.
Es war einfach schlecht für sie, einen Mann zu haben. Das hatte sie bei Taringail gelernt. Trotz der Stabilität, die ihre Ehe gebracht hatte, hatte jeder Vorteil auch eine Bedrohung für den Thron gebracht. Aus diesem Grund hatte sie Bryne oder Thom nie zu ihren offiziellen Gefährten gemacht, und Gaebril hatte bloß bewiesen, dass diese Sorge berechtigt gewesen war.
Jeder Mann, der sie heiratete, konnte eine potenzielle Bedrohung für Elayne und auch Andor sein. Ihre Kinder, sollte sie noch welche bekommen, würden Rivalen für Elaynes Kinder sein. Morgase konnte sich keine Liebe erlauben.
Tallanvor blieb nach ein paar Schritten stehen, und ihr stockte der Atem. Er drehte sich um, kehrte zu ihr zurück. Er zog das Schwert und bückte sich, legte es ihr andächtig zu Füßen, wo sie im vertrockneten Gras und Unkraut stand.
»Es war falsch von mir, mit meinem Weggehen zu drohen«, sagte er leise. »Ich war verletzt, und Schmerzen lassen einen Mann dumme Dinge tun. Du weißt, dass ich immer da sein werde, Morgase. Das habe ich dir schon einmal versprochen, und ich meine es. In diesen Tagen komme ich mir vor wie ein Spatz in einer Welt voller Adler. Aber ich habe mein Schwert und mein Herz, und beides gehört dir. Für alle Ewigkeit.«
Er stand auf und wollte gehen.
»Tallanvor«, sagte sie. Es war fast ein Flüstern. »Du hast mich nie gefragt, weißt du. Ob ich dich nehmen würde.«
»Ich kann dich nicht in diese Lage bringen. Es wäre nicht richtig, dich zu etwas zu zwingen, von dem wir beide wissen, dass du es tun müsstest, jetzt, da deine Identität bekannt wurde.«
»Und was muss ich tun?«
»Mich abweisen«, fauchte er und wurde offensichtlich wütend. »Zum Wohle Andors.«
»Muss ich das?«, fragte sie. »Ich sage mir das immer wieder, Tallanvor, aber ich grüble immer noch darüber nach.«
»Was nutze ich dir denn? Du brauchst zumindest eine Ehe, die Elayne hilft, die Loyalität einer der Fraktionen zu sichern, die du vor den Kopf gestoßen hast.«
»Also muss ich mich in eine Ehe ohne Liebe fügen«, sagte sie. »Schon wieder. Wie oft muss ich denn mein Herz für Andor opfern?«
»Ich schätze, so oft es nötig ist.« Er klang so verbittert, ballte die Fäuste. War nicht auf sie wütend, sondern auf die Situation. Er war immer ein so leidenschaftlicher Mann gewesen.
Sie zögerte, dann schüttelte sie den Kopf. »Nein. Nicht noch einmal. Tallanvor, wirf einen Blick auf den Himmel über uns. Du hast die Dinge gesehen, die auf der Welt wandeln, hast die Flüche des Dunklen Königs erlebt, die uns trafen. Das ist nicht die richtige Zeit, um keine Hoffnung zu haben. Keine Liebe.«
» Und was ist mit der Pflicht?«
»Die Pflicht kann sich verdammt noch mal hinten anstellen. Sie hat genug von mir bekommen. Jeder hat genug von mir bekommen, Tallanvor. Jeder außer dem Mann, den ich will.« Sie trat über sein Schwert, das noch immer in den Kletten lag, dann konnte sie sich nicht länger beherrschen. Einen Augenblick später küsste sie ihn.
»Also gut, ihr beiden«, sagte eine strenge Stimme hinter ihnen. »Wir gehen auf der Stelle zu Lord Aybara.«
Morgase löste sich von Tallanvor. Es war Lini.
»Was?« Morgase versuchte ihre Fassung zurückzugewinnen.
»Du heiratest«, verkündete Lini. »Und wenn ich dich an den Ohren
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