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Die Türme der Mitternacht

Die Türme der Mitternacht

Titel: Die Türme der Mitternacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jordan
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wäre er tatsächlich nichts anderes als eine Statue. Aus Stein gemeißelt. Das Einzige, das sich dort bewegte, war sein dunkelrotes Haar, das in alle Richtungen wehte.
    Perrin klammerte sich an dem Felsen fest, der eisige Wind schnitt in seine Wangen, Finger und Füße waren so taub, dass er sie kaum noch fühlte. In seinem Bart knisterten staubiges Eis und Schnee. Plötzlich rotierte etwas Schwarzes um Rand. Es gehörte nicht zum Sturm; es hatte den Anschein, als sickerte die Nacht selbst aus ihm heraus. Ranken wuchsen aus seiner Haut, als würden sich winzige windende Hände um seinen Körper wickeln. Sie sahen aus wie das Gestalt gewordene Böse.
    »Rand!«, brüllte Perrin. »Kämpf dagegen an! Rand!«
    Seine Stimme verhallte im Sturm, und er bezweifelte sowieso, dass Rand ihn hätte hören können. Die Finsternis sickerte weiterhin aus ihm heraus, als dringe flüssiges Pech aus den Poren, um einen Pesthauch um den Wiedergeborenen Drachen zu erschaffen. Innerhalb weniger Augenblicke konnte Perrin Rand kaum noch inmitten der Dunkelheit erkennen. Sie hüllte ihn ein, schnitt ihn von allem ab, verbannte ihn. Der Wiedergeborene Drache war verschwunden. Allein das Böse blieb.
    » Rand, bitte …«, flüsterte Perrin.
    Und dann spaltete ein winziger Lichtfunke das Böse - aus der Mitte der Finsternis, aus dem Zentrum von Aufruhr und Sturm. Wie Kerzenschein in einer finsteren Nacht. Das Licht strebte wie ein Fanal in die Höhe, auf den fernen Himmel zu. Es war so schwach.
    Der Sturm peitschte dagegen. Wind heulte, stürmte und toste. Blitze schlugen auf dem Felsgipfel ein, sprengten Steinbrocken los, gruben tiefe Risse in den Boden. Die Finsternis wogte und pulsierte.
    Aber das Licht leuchtete weiter.
    In der schwarzen Hülle des Bösen erschien ein feiner Riss; dahinter strahlte es hell. Ein weiterer Riss kroch darauf zu, dann noch einer. In ihrem Inneren befand sich etwas Starkes, etwas Glühendes, Strahlendes.
    Die Hülle wurde aufgesprengt, sie löste sich auf und entließ eine Lichtsäule von solcher Helligkeit, dass sie Perrins Augen zu versengen schien. Aber er schaute trotzdem hin, hob keinen Arm, um den Kopf zu schützen oder das strahlende Bild vor ihm auszusperren. Mitten im Licht stand Rand, den Mund geöffnet, als würde er den Himmel anbrüllen. Die sonnengelbe Säule schoss in die Luft, und der Sturm schien zu erbeben, der Himmel selbst schien zu wogen.
    Der Sturm verschwand.
    Die Säule aus grellem Licht wurde zu einer Säule aus Sonnenlicht, das in die Tiefe strömte und den Gipfel des Drachenbergs erhellte. Perrin löste die Finger von dem Felsen und betrachtete staunend Rand, der mitten im Licht stand. Es schien so schrecklich lange her zu sein, dass er einen Strahl unverfälschten Sonnenlichts gesehen hatte.
    Die Wölfe stießen ein Heulen aus. Es handelte sich um Triumphgeheul, prächtig und siegessicher. Auch Perrin hob den Kopf und stieß ein Heulen aus, wurde für einen Moment zu Junger Bulle. Er fühlte, wie sich der Teich aus Sonnenlicht ausbreitete und schließlich auch ihn erfasste, und seine Wärme verbannte die Eiseskälte. Er nahm kaum wahr, dass Rands Bild verschwand, denn er ließ das Sonnenlicht zurück.
    Wölfe erschienen in Perrins Nähe, materialisierten mitten im Sprung. Sie bellten, tollten herum, tanzten ausgelassen im Sonnenlicht, als es sie erfasste. Sie jaulten und fiepten, ließen den Schnee hochspritzen. Springer war auch dabei, und er sprang in die Luft und schwebte über Perrin hinweg.
    Die Letzte Jagd beginnt, Junger Bulle!, schrie Springer. Wir leben. Wir leben!
    Perrin wandte sich wieder der Stelle zu, an der Rand gestanden hatte. Hätte diese Finsternis Rand verschlungen …
    Aber das hatte sie nicht. Er grinste breit. »Die Letzte Jagd ist da!«, brüllte er den Wölfen zu. »Lasst sie anfangen!«
    Sie heulten ihre Zustimmung so laut heraus, wie noch eben der Sturm gewütet hatte.

KAPITEL 5
    Ins Nichts
    M at kippte den Rest Wein in den Mund und genoss den süßen, kühlen Geschmack. Er knallte den Becher auf den Boden und warf die fünf Würfel. Sie kullerten über die Holzdielen der Schenke und prallten gegeneinander.
    Die Luft war dick. Voller Geräusche, Flüche, Gerüche. Rauch, penetranter Alkohol, ein Steak, das man so gepfeffert hatte, dass das Fleisch kaum noch zu schmecken war. Was vermutlich auch besser so war. Selbst in Caemlyn verdarb Fleisch ohne Vorwarnung.
    Die stinkenden Männer um Mat beobachteten, wie seine Würfel fielen: einer der Männer roch

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