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Die Türme der Mitternacht

Die Türme der Mitternacht

Titel: Die Türme der Mitternacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jordan
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führen wollte, weil er derjenige sein wollte, der die Heldentaten vollbrachte. Als Behüter würde er zur Seite treten und ihr dabei helfen müssen, die Welt zu verändern. Eine große Persönlichkeit am Leben zu erhalten war eine ehrenvolle Aufgabe. Sogar eine unübertreffliche Ehre. Was war der Sinn großer Taten? Die Anerkennung, die sie brachten, oder das bessere Leben, das sie erschufen?
    Zur Seite zu treten. Er hatte Männer wie Sleete für ihre diesbezügliche Bereitschaft stets bewundert, sie aber auch nie verstanden. Jedenfalls nicht richtig. Ich kann sie das nicht allein machen lassen, dachte er. Ich muss ihr helfen. Aus ihrem Schatten heraus.
    Weil er sie liebte. Aber vor allem weil es so das Beste war. Wollten zwei Barden zur selben Zeit zwei verschiedene Lieder spielen, kam dabei nur Lärm heraus. Aber wenn einer zurücktrat, damit die Melodie des anderen harmonisch klingen konnte, dann konnte die vollbrachte Schönheit viel größer sein als alles, was einer von ihnen allein erreichte.
    Und in diesem Augenblick begriff er endlich. Er stand auf. Er konnte sich Egwene nicht als Prinz nähern. Er musste als Behüter vor sie treten. Er musste auf sie aufpassen, ihr dienen. Dafür sorgen, dass ihre Wünsche befolgt wurden.
    Es war Zeit zurückzukehren.
    Er schlüpfte in seinen Mantel und ging zum Palast. Die Eröffnungsserenade der diversen Teichfrösche verstummte und wurde durch Aufplatschen ersetzt, als er sie passierte und das Gebäude betrat. Zu den Gemächern seiner Schwester war es kein weiter Weg. Sie würde noch auf sein; in der letzten Zeit konnte sie nur mühsam einschlafen. Während der vergangenen paar Tage hatten sie vor dem Zubettgehen oft noch eine Unterhaltung und eine warme Tasse Tee genossen. Aber vor ihrer Tür wurde er von Birgitte aufgehalten.
    Sie schenkte ihm wieder einen dieser finsteren Blicke. Ja, es gefiel ihr tatsächlich nicht, gezwungenermaßen an seiner Stelle als Generalhauptmann aufzutreten. Das sah er nun ein. Er fühlte sich etwas unbehaglich, als er näher kam. Die Frau hob eine Hand. »Heute Abend nicht, Prinzchen.«
    »Ich reise zur Weißen Burg ab«, sagte er. »Ich würde mich gern verabschieden.«
    Er setzte sich wieder in Bewegung, aber Birgitte legte die Hand gegen seine Brust und schob ihn sanft zurück. »Ihr könnt morgen früh abreisen.«
    Um ein Haar hätte er nach seinem Schwert gegriffen, aber er konnte sich beherrschen. Beim Licht! Es hatte eine Zeit gegeben, da hatte er nicht auf jede Kleinigkeit so reagiert. Er war wirklich ein Narr geworden. »Fragt sie, ob sie mich sehen will«, sagte er höflich. »Bitte!«
    »Ich habe meine Befehle«, erwiderte Birgitte. »Davon abgesehen könnte sie gar nicht mit Euch sprechen. Sie schläft.«
    »Ich bin mir sicher, sie würde gern geweckt.«
    »Es ist nicht diese Art Schlaf.« Birgitte seufzte. »Es hat mit Aes Sedai-Angelegenheiten zu tun. Geht zu Bett. Morgen früh wird Eure Schwester vermutlich eine Nachricht von Egwene für Euch haben.«
    Gawyn runzelte die Stirn. Wie sollte …
    Die Träume, begriff er. Das hatte die Aes Sedai gemeint, dass Egwene sie darin ausbildet, in ihren Träumen zu wandeln. »Also schläft Egwene auch?«
    Birgitte musterte ihn. »Verdammte Asche, vermutlich habe ich schon zu viel gesagt. Geht in Eure Gemächer.«
    Gawyn ging, aber er begab sich nicht in seine Gemächer. Er wird auf einen Augenblick der Schwäche warten, dachte er und erinnerte sich an die Worte der Sul’dam. Und wenn er zuschlägt, wird er eine solche Verwüstung hinterlassen, wie man sie bei einem einzelnen Mann für unmöglich halten würde…
    Ein Augenblick der Schwäche.
    Gawyn rannte los, jagte durch die Palastkorridore zu dem Reisezimmer, das Elayne eingerichtet hatte. Gesegneterweise hatte dort eine Kusine Dienst - ihr war ihre Müdigkeit anzusehen, aber sie wartete für den Fall, dass eine eilige Botschaft geschickt werden musste. Gawyn erkannte die dunkelhaarige Frau nicht, aber sie schien ihn zu kennen.
    Gähnend öffnete sie ein Wegetor für ihn. Er rannte hindurch und weiter auf das Reisegelände der Weißen Burg. Das Tor erlosch sofort hinter ihm. Gawyn zuckte zusammen und fuhr mit einem Fluch herum. Um ein Haar hätte es sich geschlossen, noch während er mittendrin stand. Warum hatte die Kusine es so abrupt verschwinden lassen, auf diese gefährliche Weise? Den Bruchteil einer Sekunde früher, und es hätte ihm den Fuß abgeschnitten oder Schlimmeres.
    Er hatte keine Zeit. Er drehte sich um und lief

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