Die Türme der Mitternacht
Wir müssen …«
Eine erschöpft aussehende Siuan erschien aus dem Nichts; die eine Seite ihres Kleides war angesengt. »Mutter! Wir brauchen Euch!«
» Der Kampf hat begonnen?«, fragte Egwene drängend. Auf der anderen Seite schauten die Weisen Frauen begierig auf.
»Das hat er«, stieß Siuan keuchend hervor. »Es fing sofort an. Mutter, sie kamen nicht, um uns zu belauschen! Sie griffen an!«
Perrin raste über das Land und legte mit jedem Schritt Meile um Meile zurück. Er musste den Nagel irgendwo außer Reichweite des Schlächters bringen. Vielleicht der Ozean? Er konnte…
Ein Pfeil schoss durch die Luft und schnitt seine Schulter auf. Perrin fluchte und drehte sich um. Sie befanden sich auf einer steilen felsigen Anhöhe. Der Schlächter stand unterhalb von ihm, die Bogensehne an die Wange gehalten, die dunklen Augen vor Zorn funkelnd. Er ließ den nächsten Pfeil fliegen.
Eine Mauer, dachte Perrin und beschwor eine Ziegelmauer vor sich. Der Pfeil drang mehrere Zoll in die Steine ein, wurde aber aufgehalten. Perrin versetzte sich sofort an einen anderen Ort. Aber er kam nicht weit, nicht solange er die Kuppel trug.
Er wechselte die Richtung, sodass er nicht länger direkt nach Norden ging, sondern nach Osten. Er bezweifelte, den Schlächter abschütteln zu können - er konnte vermutlich die Bewegung der Kuppel sehen und ihre Richtung abschätzen.
Was sollte er tun? Er hatte das Artefakt in den Ozean werfen wollen, aber wenn der Schlächter ihm folgte, würde er es sich einfach wiederholen. Perrin konzentrierte sich darauf, sich so schnell zu bewegen, wie er konnte, legte mit jedem Herzschlag Meilen zurück. Konnte er seinen Feind abhängen? Die Landschaft flog schemenhaft an ihm vorbei. Berge, Wälder, Seen, Wiesen.
Gerade als er dachte, einen Vorsprung zu haben, erschien eine Gestalt neben ihm und hieb mit dem Schwert nach seinem Hals. Nur mühsam konnte er dem Angriff entgehen. Knurrend hob er den Hammer, aber der Schlächter verschwand.
Frustriert hielt Perrin inne. Der Schlächter war schneller als er und konnte unter die Kuppel schlüpften, indem er einfach voraussprang und dann darauf wartete, dass Perrin sie über ihn brachte. Von dort aus konnte er direkt zu Perrin springen und angreifen.
Davonlaufen kann ich ihm nicht, erkannte Perrin. Die einzige sichere Methode, die einzige Möglichkeit, Faile und die anderen zu beschützen, bestand darin, den Schlächter zu töten. Sonst würde der Mann das Ter’angreal einfach von dort zurückholen, wo auch immer Perrin es versteckte, und dann zurückkehren, um seine Leute festzusetzen.
Perrin schaute sich um, um sich zu orientieren. Er befand sich auf einem leicht bewaldeten Hügel, und nördlich von ihm erhob sich der Drachenberg. Er schaute nach Osten und sah die Spitze eines großen Bauwerks über die Baumwipfel ragen. Die Weiße Burg. Die Stadt würde ihm vielleicht einen Vorteil verschaffen, denn dort konnte man sich in einem der vielen Gebäude oder einer Gasse verstecken.
Mit großen Sätzen sprang Perrin in diese Richtung und trug den Nagel und die von ihm erzeugte Kuppel mit sich. Es würde doch mit einem Kampf enden.
KAPITEL 11
Dunkelheit in der Weißen Burg
G awyn saß im Palastgarten von Caemlyn auf einer Bank. Mehrere Stunden waren vergangen, seit er Egwenes Boten fortgeschickt hatte. Ein Dreiviertelmond schimmerte träge am Himmel. Gelegentlich kamen Diener, um sich zu erkundigen, ob er etwas brauchte. Sie schienen sich Sorgen um ihn zu machen.
Er wollte bloß den Himmel betrachten. Es war Wochen her, dass er das zum letzten Mal getan hatte. Die Luft kühlte ab, aber er ließ seinen Mantel auf der Lehne der Bank hängen. Die freie Luft fühlte sich gut an - irgendwie unterschied sie sich von der Luft unter dem bewölkten Himmel.
Nachdem das letzte Licht der Abenddämmerung verblich, funkelten die Sterne wie scheue Kinder, die sich jetzt, nachdem der Lärm des Tages verklungen war, hervorwagten. Es fühlte sich so gut an, sie endlich wieder sehen zu können. Gawyn atmete tief ein.
Elayne hatte recht. Sein Hass auf al’Thor gründete sich größtenteils auf Frustration. Vielleicht auch auf Eifersucht. Al’Thor spielte eine Rolle, die dem so viel näher kam, was er gern erreicht hätte. Nationen zu beherrschen, Heere anzuführen. Betrachtete man ihrer beider Leben, wer hatte die Rolle eines Prinzen übernommen und wer die Rolle eines verirrten Schafhirten?
Vielleicht hatte er sich Egwenes Forderungen widersetzt, weil er
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