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Die Tulpe des Bösen

Die Tulpe des Bösen

Titel: Die Tulpe des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Kastner
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nicht seiner war. Von einem Augenblick zum anderen fühlte er sich benutzt, hin und her gestoßen wie die Leichen da drüben am Galgengerüst, die im auffrischenden Wind zu schwanken begannen.
    Zum zweiten Mal an diesem Tag machte er die Erfahrung, daß die Waffen der Frauen vielfältig waren. Bei der Erinnerung an die Leidenschaft, die Catrijn und ihn noch kurz zuvor vereint hatte, fragte er sich, welches die gefährlichere Waffe war, der Wille einer Frau oder ihr Körper. Vielleicht, dachte er, beides vereint.

K APITEL 14
    Die Waffen einer Frau (3)
    W ar es möglicherweise doch unklug gewesen, ausgerechnet diesen Ort auszuwählen? Katoen wurde unsicher, als er nachts zur elften Stunde durch das Labyrinth ging, auf demselben Weg, den er zwei Nächte zuvor genommen hatte, dem Weg zum Grünen Papagei. Vielleicht erwarteten ihn hier böse Überraschungen, schienen doch die Kartenschnapper die Gegend zu ihrem Revier zu zählen. Aber auf die Schnelle war ihm kein geeigneterer Ort eingefallen, ein Ort zudem mit der Aura des Bedrohlichen. Wie zwei Nächte zuvor, trug er seinen Stockdegen bei sich, und mit jedem Schritt, den er tat, machte er sich mehr darauf gefaßt, die Waffe gebrauchen zu müssen.
    In seinen Gedanken wich die Dunkelheit dem blauen Himmel über Volewijk, und er sah sich wieder mit Catrijn auf der Lichtung, nackt und eng umschlungen, voller Leidenschaft. Wirklich? Hatte Catrijn sich ihm aus Verlangen hingegeben oder aus Berechnung? Was sie hinterher vor ihm ausgebreitet hatte, ihre Pläne für eine gemeinsame Zukunft, schien alles, was zuvor zwischen ihnen gewesen war, zu Bausteinen eines größeren Werkes zu degradieren. Hatte sie nur getan, was sie als notwendig erachtete, um ihn an sich zu binden?
    Und selbst wenn es so war, durfte er ihr das zum Vorwurf machen? Vielleicht nicht, denn auch er hatte sich gewünscht, sie für sich zu gewinnen. Tat nicht jeder auf seine Art, was er konnte, um seine Ziele zu erreichen? Catrijn setzte nun einmal ihre Waffen ein, die Waffen einer Frau.
    Was ihn mehr erboste, war der Verdacht, daß Catrijns Bruder in die Sache verwickelt war, wenn nicht als treibende Kraft, dann doch zumindest als Mitverschwörer in diesem kleinen Liebeskomplott. Daß Nicolaas van der Zyl auf Volewijk wegen angeblich dringender Geschäfte nicht mit an Land gegangen war, erschien im nachhinein als eine zwischen Bruder und Schwester ausgemachte Sache, damit Catrijn ihr Opfer ungestört umgarnen konnte.
    Opfer? Er lachte in sich hinein. Das war wohl übertrieben. Er hatte das Zusammensein mit Catrijn sehr genossen, doch ein bitterer Nachgeschmack trübte das Vergnügen.
    Vielleicht hätte es ihm schmeicheln sollen, daß einer so wichtigen Persönlichkeit wie dem Amtsrichter offenbar daran gelegen war, ihn als seinen Schwager zu sehen. Manch einer wäre angesichts dessen mit stolzgeschwellter Brust durch Amsterdam gelaufen. Katoen aber mochte es nun einmal nicht, wenn andere über sein Schicksal entschieden. Von Kindesbeinen an auf sich allein gestellt, war er daran gewöhnt, seine eigenen Entscheidungen zu treffen und seinen eigenen Weg zu gehen.
    Seit Catrijn ihm von ihren und ihres Bruders Plänen erzählt hatte, war seine gute Laune verflogen, und in ihm nagten Zweifel, ob es wirklich gut war, sich mit einer Frau einzulassen, die zwar begehrenswert, aber auch ebenso berechnend war. Er war froh gewesen, als endlich Nicolaas van der Zyl zurückkehrte und sie wieder an Bord der Jolle nahm. Auf der Rückfahrt zum Damrak hatte der Amtsrichter an der Ruderpinne gesessen und das Boot geschickt über das IJ geführt. Catrijns Vorschlag, sich zum gemeinsamen Kirchgang am Sonntag zu verabreden, hatte Katoen nur halbherzig zugestimmt.
    Er zwang sich, nicht länger darüber nachzudenken, und richtete seine ganze Aufmerksamkeit statt dessen auf die Gegenwart aus, auf das Labyrinth mit seinen dunklen Gassen und den abbruchreifen, düsteren Gebäuden. Die Häuser, zwischen denen er hindurchging, erschienen ihm wie riesige Gräber, Wohnungen jener ruhelosen Seelen, deren Körper auf Volewijk verrotteten. Einbildungen, sagte er sich. Diese Umgebung zur Nachtzeit rief die absonderlichsten Vorstellungen wach. Natürlich gab es keine Geister, auch nicht in diesem verlassenen Teil des Labyrinths, dafür aber sehr lebendige Bewohner, die durch die Gassen huschten: Ratten und herumstreunende Katzen. Und, von einer Sekunde auf die andere, auch Menschen!
    Sie lösten sich aus den Schatten vor und hinter ihm,

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