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Die Tunnel der Seele

Die Tunnel der Seele

Titel: Die Tunnel der Seele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Nicholson
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sah Licht am Ende des Tunnels.
    Da war die Falltür, die zum Witwensteg führte.
    Wo Annas Geist auf dem Gemälde schreiend in die Tiefe gestürzt war.

63. KAPITEL
    D er aufgedunsene Mond stieg durch die glitzernden, mit Frost überzogenen Baumwipfel hindurch den Nachthimmel empor. Annas Atem hing wie eine silberne Wolke in der Luft. Miss Mamie führte sie zur Brüstung und Anna schaute auf das Land unter sich, das ihr Zuhause werden würde. Sie gehörte in dieses Haus, auf diesen Berg, zu Ephram Korban.
    »Sie sind sehr hübsch«, sagte Miss Mamie und leuchtete ihr mit der Laterne ins Gesicht. »Da wundert es mich nicht, dass Ephram Sie unbedingt haben will. Weil Sie so schön sind, und wegen Ihrer Gabe natürlich.«
    Die Abramovs saßen auf ihren Stühlen, zogen ihre Instrumente an sich und verschmolzen mit ihnen wie die Körper zweier Liebender. Adam beobachtete Paul, der seine Videokamera auf einem Stativ befestigte. Cris und Zainab plauderten an der Bar miteinander, Lilith schenkte ihnen lachend ein. In einem Grüppchen am gegenüber liegenden Geländer standen die anderen Gäste und unterhielten sich aufgeregt.
    »Sie wissen, warum Sie hier sind, nicht wahr, Anna?« wollte Miss Mamie wissen.
    »Weil ich hierher gehöre.« Die Worte kamen nicht aus Annas Mund.
    »Genau wie ich«, sagte Sylva. Miss Mamie drehte sich um und blickte in das Gesicht der alten Frau.
    »Nein«, schrie Miss Mamie mit vor Zorn geröteten Wangen. »Das ist Ephrams Nacht. Er hat mir erzählt, du würdest niemals zurückkehren, weil er dich aufgezehrt hat.«
    »Ephram braucht mich mehr als er dich braucht.«
    »Ich habe ihn am Leben gehalten und durch ihn bin ich jung geblieben. Und jetzt schau dich an, du jämmerliche Gestalt. Du bist doch nur noch Haut und Knochen. Hast du wirklich geglaubt, er könne jemanden wie dich lieben?«
    »Liebe ist wie eine Tür, die nach beiden Seiten schwingt. Genau wie der Tod. Frost und Feuer. Aber was weißt du denn schon? Du hast doch keine Ahnung von Magie, von Zaubersprüchen, weißt nichts von der Bedeutung unseres Glaubens und den Dingen, die Ephrams Seele in all den Jahren hier gehalten haben.«
    »Du bist doch nur eine alte, verrückte Hexe, die aus ihren Kräutern irgendwas zusammenbraut und dann ihre dämlichen Zaubersprüche murmelt. Ich bin diejenige, die er wirklich braucht. Ich weiß, wie man die Puppen herstellt.«
    »Nun, er wird ja bald hier sein und dann können wir ihn selbst fragen. Was machen wir in der Zwischenzeit mit unserer lieben kleinen Anna?«
    »Anna?«
    Als sie ihren Namen hörte, blickte sie auf. Die Welt drehte sich wie im Zeitlupentempo um sie, die Nacht erschien ihr wie ein ungestümer Strom, der alles mit sich riss.
    Die Abramovs stimmten ein festliches Duett an, ließen ihre Bögen melancholisch zart über die Saiten streichen, sodass die Noten im Wind vibrierten. Dies war Annas Haus. Sie war nicht Anna Galloway, nicht jetzt und auch nie zuvor. Dieses Leben war ein Traum, der tödliche Krebs ein Weckruf, der sie nach Hause locken sollte, der langsam herannahende Tod ein Hirte, der sie zu ihrem wahren Ich führen würde.
    Sie war Anna Korban.
    Und Sie würde für immer in diesen Wänden gefangen sein.
    Die Kälte der Welt da draußen drang in ihr Innerstes, ihr Herz erstarrte auf ewig zu Eis, als sie an die Trennlinie trat, um die Schwelle zwischen Diesseits und Jenseits zu überschreitem.
    »Was ist mit ihr?« fragte Sylva.
    »Anna wird sterben«, erwiderte Miss Mamie. »Zum allerletzten Mal.«

64. KAPITEL
    M ason kletterte durch die Falltür nach oben in die kalte Nacht.
    Die unendliche Weite um ihn herum und die schier endlose Tiefe unter ihm verursachten ein flaues Gefühl in seiner Magengegend, ließen ihn schwindelig werden. Die Ewigkeit der Nacht und die sanft geschwungenen Hügel der Berge saugten die Kraft aus seinen Beinen, die sich auf einmal wie Gummi anfühlten. Er zwang sich, nicht an den Abgrund zu denken, der zu allen Seiten lauerte. Doch verglichen mit den Ängsten, denen er sich in den letzten Stunden hatte stellen müssen, wirkte seine Furcht vor der Höhe belanglos und blass.
    Mason blinzelte das Blut von seinen Augen und nahm die irreale Kulisse auf dem Witwensteg in sich auf. Anna stand an der Brüstung zwischen Miss Mamie und einer alten Frau, die ein schmutziges Kleid trug und um deren Schultern ein zerfetzter Schal hing. Sie schienen sich um Anna zu streiten, die wie betäubt wirkte und im grellen Mondlicht hin und her schwankte. Die kühle

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