Die Ueberbuchte
aufblitzten. »Demnach hältst du sie auch für die Richtige? Das kann doch wohl nicht dein Ernst sein! Wo hast du nur deine Augen und deinen sonst so vortrefflichen Verstand gelassen?«
»Deine Aufregung in allen Ehren, aber ich glaube, die dürfte im Augenblick weder angebracht, noch hilfreich sein.«
»Demnach willst du also seelenruhig zusehen, wie diese Frau, ohne Rücksicht auf Verluste, sich auf hinterlistiger Weise an Knut heranmacht? Das kann ich einfach nicht glauben!«, ereiferte sich Dagmar erneut.
»Was soll das, Dagmar, es lohnt sich nicht über Dinge zu streiten, die sowieso nicht in meinem Ermessen liegen.« Lena holte tief Luft und fügte mit Nachdruck hinzu: »Nun, ich gebe zu, es hat einen Augenblick lang sehr weh getan – aber jetzt nicht mehr. Vielmehr hat sich wieder einmal bestätigt, dass im Leben immer nur das eine oder das andere möglich ist, aber nie beides zur gleichen Zeit. Ich jedenfalls werde mich nicht zwischen Knut und Ruth drängen, dessen soll er sich von Anfang an gewiss sein.«
»Na ja, wenn du meinst«, bequemte sich Dagmar zu antworten, wenn auch nicht sonderlich überzeugt.
Von Dagmars aufrichtiger Anteilnahme gerührt, drückte Lena sie an sich und flüsterte ihr zu: »Zumindest einen gewaltigen Trost habe ich gefunden, ich habe euch beide kennengelernt und das entschädigt mich ganz beträchtlich.«
Dagmar schluckte und ihre gelbbraunen Augen schimmerten feucht. »Dann werden wir uns also wiedersehen?«
»Aber ja!«, rief Lena lachend. Aber gleich wieder ernst werdend, fügte sie fast feierlich hinzu: »Solch prächtige Menschen, wie euch beide, begegnet man nicht alle Tage, das lässt jeden Verlust leichter verschmerzen. Außerdem«, wandte sie sich mit herausforderndem Lächeln an Ernst, »kann ich unmöglich auf deine künstlerische Inspiration verzichten.« Und wieder Dagmar zugewandt. »Er kann nämlich den Farben unglaublich fühlbares Leben einhauchen. Das fasziniert mich ungemein!«
Dagmar strahlte. »Nun, wenn es so ist, dann will ich mich gern geschlagen geben; auch wenn ich offen eingestehen muss, dass es mir unglaublich schwerfällt. Doch die Gewissheit, dass du uns auch weiterhin erhalten bleibst, hat zweifellos sehr viel versöhnliches an sich.«
Der letzte Abend auf Sylt. Lena hatte bereits ihre Sachen eingepackt, sie ging zum Fenster, öffnete beide Fensterflügel weit und sah auf die im Dämmerlicht dunkel schimmernde See hinaus. Dieser Anblick der unbegrenzten Weite, barg dennoch solche Endgültigkeit in sich, dass es fast schon wieder erdrückend wirkte – irgendwie wehmütig stimmte. Und um sich diesen aufkommenden trüben Gedanken rechtzeitig zu entziehen, schloss sie das Fenster und ging zu Dagmar hinab, die im Wohnzimmer auf sie wartete. Ernst war noch einmal zum Bootsschuppen gegangen, weil er sich nicht sicher war, ob er die äußere Tür verschlossen oder nur angelehnt hatte.
Dagmar legte bei Lenas Eintreten sofort das Buch zur Seite und sah ihr mit ernsten, nicht aber traurigen Augen entgegen. »Ich muss schon sagen, liebe Lena, dieses anschmiegsame, vortrefflich gut sitzende Kleid, steht dir ganz ausgezeichnet. In dieser Hinsicht zumindest, rein äußerliche gesehen, bist du Ruth haushoch überlegen – vom geistigen Niveau ganz abgesehen.«
»Nicht doch«, wehrte Lena beschämt ab, »du machst mich direkt verlegen. Außerdem übertreibst du schamlos, denn Ruth ist einige Jahre jünger als ich und wirkt wesentlich fraulicher. Ich werde nämlich nie vergessen, wie gerade diese gut proportionierte Fülle, Knut besonders reizvoll fand. Denn bereits bei der ersten Begegnung, habe ich sehr wohl bemerkt, wie er sich von diesen recht attraktiven Reizen angezogen fühlte.«
Dagmar lachte. »Entschuldige bitte, aber du bist mir schon eine sonderbare Heilige! Entweder du kokettierst auf übertriebenster Weise mit deiner Überlegenheit oder aber dir macht es wirklich nichts aus, dich von Ruth ausstechen zu lassen?«
»Beides stimmt nicht ganz. Weder kokettiere ich, noch lässt es mich kalt, Knut auf diese Weise an Ruth zu verlieren, doch die Vernunft sagt mir; diese Variante ist die weitaus vernünftigere, und das solltest auch du allmählich akzeptieren.«
»Bei aller Liebe, aber genau das will mir nicht gelingen! Denn du liebst doch Knut, oder etwa nicht?«
»Sicherlich, ich mag ihn sehr und ich habe diese wunderschöne Zeit mit ihm nach Herzenslust genossen, und hätte dies auch zu gern beibehalten – aber eben nicht mehr.«
»Und
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