Die Ueberbuchte
mich nicht in Sachen einmischen dürfen, die mich absolut nichts angehen – wie konnte ich nur!«, lamentierte Dagmar.
Lena beugte sich zu Dagmar hinüber und legte die Hand beruhigend auf ihren Arm. »Hör endlich mit diesen Vorwürfen auf! Und nun erzähl schon was vorgefallen ist. Hörst du, ich will alles wissen, auch wenn es dir schwerfallen sollte.«
»Na, schön«, seufzte Dagmar. »Vor ungefähr vierzehn Tagen, kreuzte plötzlich diese besagte Ruth bei uns auf.«
»Ruth …? Hast du Ruth gesagt?«, fragte Lena ungläubig.
»Ja, ja – Ruth – du hast schon recht gehört. Sie war angeblich mit ihrer Tochter bei deren Schwiegereltern in Flensburg zu Besuch. Auf dem Rückweg also besuchte sie uns, in der Annahme, Knut würde sich bei uns aufhalten. Knut aber hatte einen Tag vorher angerufen, dass er nicht kommen könnte, weil er krankgeschrieben sei. Den Namen dieser Frau, hatte Knut bei seinem letzten Besuch mehrfach erwähnt, und so gab ich ihr ohne zu zögern seine Adresse, nach der sie dringend verlangte.«
»Aha, dann war sie also bei ihm«, warf Lena brüsk ein und schluckte heftig. »Das allerdings ist ein starkes Stück, was Ruth sich da geleistet hat. – Ich wusste zwar, dass sie mich um Knuts Freundschaft beneidet hat, aber dass sie mich derart hintergehen würde, hätte ich nie und nimmer für möglich gehalten. Schließlich sind wir seit vielen Jahren eng befreundet.« Sie presste einen Augenblick die Augen zusammen, um die aufsteigenden Tränen zu unterdrücken. Sie hob plötzlich den Blick und fragte mit belegter Stimme: »Wie war das eigentlich, hast du nicht eben erwähnt, Knut sei krank?«
»Ja, ungefähr seit vierzehn Tagen – wieder sein Kreislauf.«
»Und warum erfahre ich das erst jetzt? Warum …?! Allmählich verstehe ich überhaupt nichts mehr! Warum hat er nicht angerufen, ich war doch die ganze Zeit über zu Hause?«
»Du …? Zuhause …? Das kann doch wohl nicht sein! Ruth hat behauptet, du seist bei deinem Sohn in Budapest, von dem sie weder die Telefonnummer noch die Adresse kennen würde.«
»Was für eine Frechheit! Was für eine bodenlose Gemeinheit!« Sie war außer sich vor Empörung und fuhr erregt mit den Händen durch die Luft. »Sie hat doch sehr genau gewusst, dass ich wegen des neuen Auftrages, keinerlei Zeit verlieren durfte. Ich habe gearbeitet, nichts als gearbeitet und das wusste sie! Nein und nochmals nein, ich kann dir gar nicht sagen, wie entsetzt ich bin!« Ihre Augen funkelten vor Zorn. »O ja, jetzt fange ich allmählich an zu begreifen, denn als sie letztens bei mir war und mich provokatorisch danach gefragt hat, wo ich denn gewesen sei, weil Knut mich angeblich nicht erreichen konnte, hat sie mich bereits damals bewusst hinters Licht geführt. Denn anstatt mich sofort davon in Kenntnis zu setzen, hat sie mit der Chance mich zu verleugnen, die Gunst der Stunde brutal für sich ausgenutzt. Sicherlich, irgendwann hatte ich mal erwähnt, dass ich im Laufe des Sommers zu meinem Sohn reisen wollte; aber das war lang vor dem bewussten Auftrag.«
»Ja, so könnte es gewesen sein«, nickte Dagmar.
»Es könnte nicht nur so gewesen sein, es war so!« Lena sprang auf und lief aufgeregt hin und her. Dann blieb sie mit hängenden Schultern dicht vor Dagmar stehen und sagte mit traurig verletzter Stimme: »Ich verstehe es nicht! Wie konnte sie das nur tun! Und Knut, wie steht er dazu? Oder kam ihm diese Situation etwa ganz gelegen?«
Dagmar verzog hilflos das Gesicht. »Ich weiß es nicht.«, erklang es zögernd.
Lena versuchte zu lächeln, da sie sehr wohl spürte, dass Dagmar nicht die Wahrheit sagte, wahrscheinlich um sie zu schonen. Deshalb winkte sie nur müde mit der Hand ab. »Ist schon gut, Dagmar, ich kann mir auch so zusammenreimen, was du sicherlich längst weißt.«
Sie schwiegen, ein bedrückendes, schmerzliches Schweigen.
Lena stützte sich mit beiden Händen auf der Terrassenbrüstung auf und blickte auf die im hellen Sonnenlicht glitzernde, endlose Wasserfläche hinaus. Wie großartig, wie kraftvoll und dennoch irgendwie sanft, sich die Wellen in ihrem rhythmischen Spiel bewegten, ganz anders als die aufgebrachten Wogen in ihrem zu tiefst verwundeten Inneren. Sie drehte sich um und sagte: »Entschuldige bitte, aber ich muss jetzt erst einmal allein sein.«
Dagmar nickte. »Das versteh ich …«
Und ohne sich noch einmal umzusehen, verließ Lena die Terrasse und wendete sich dem schmalen Trampelpfad zwischen den Dünen zu. Sie lief und
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