Die Ueberbuchte
mit dieser Frage nicht sofort etwas anzufangen wusste. »Ach so, das meinen Sie! Na ja, das kann schon mal vorkommen – so eng sehe ich das nicht.«
»Nicht …?«, tat die Frau enttäuscht. »Nun ja – ich dachte ja nur …« Und ihren Mann zuwendend, fuhr sie energisch fort: »Wenigstens ist das Zimmer sauber, nicht wahr Karl?« Sie winkte verächtlich mit der Hand ab und fügte lauernd hinzu: »Denn bei den Ausländern weiß man ja nie.«
»Mir gefällt’s«, brummte der Mann.
»Aber die Handtücher, die könnten wirklich etwas weicher sein, vom fehlenden Duschvorhang ganz abgesehen.«
»Mein Gott, Renate, wenn du keine anderen Sorgen hast!«
»Ich weiß«, murmelte sie, »für dich ist das alles nicht wichtig, für mich aber schon.«
»Von mir aus …«, knurrte der Mann noch eine Spur ärgerlicher, und widmete sich nun ausgiebig der Getränkekarte.
»Ich bin gespannt was es zu essen geben wird, hoffentlich nicht immer nur Spaghetti«, sagte die Frau zu Lena gewandt.
»Ach, wissen Sie, wenn ich das Gastrecht eines anderen Landes genieße, sehe ich es als meine Pflicht an, es auch mit angemessener Dankbarkeit zu würdigen.«
Der Mann vergrub sein Gesicht förmlich hinter der Getränkekarte, um sein schadenfrohes Lächeln nicht merken zu lassen.
Lena aber hatte es sehr wohl bemerkt.
Doch die Frau schwieg von nun an mit beleidigter Miene.
Erst als das Essen serviert wurde und nach einem Salatteller tatsächlich Spaghetti serviert wurden, brach die Frau in lautes Gelächter aus, so dass sich die Gäste von den Nachbartischen interessiert umdrehten.
»Schmeckt es?«, fragte da Knut, der unbemerkt den Raum betreten hatte, über die Schulter hinweg.
»Danke, ganz ausgezeichnet!«, erwiderte Lena mit besonderen Nachdruck. Er nickte lächelnd und ging auf den nahe der Anrichte gelegenen Tisch zu, der von einer mächtigen Kübelpalme halb verdeckt war.
Unwillkürlich machte Lena einen langen Hals, und dachte mit gewissen Ingrimm; das könnte dir so passen, mich hier bei dieser streitsüchtigen Person versauern zu lassen! Und nur die Tatsache, dass jener besagte Kollege, Dieter mit Namen, neben ihm Platz genommen hatte, wahrscheinlich um ein kleines Schwätzchen mit ihm abzuhalten, konnte sie versöhnlicher stimmen. Sie blieb aber dennoch keine Minute länger als notwendig auf ihren Platz sitzen. Sie verabschiedete sich mit leichten Kopfnicken und verschwand augenblicklich nach draußen.
Jetzt wollte sie erst einmal in aller Ruhe ihre nähere Umgebung in Augenschein nehmen, wozu sie bisher überhaupt noch nicht gekommen war. Da aber noch weitere Gäste den gleichen Gedanken zu haben schienen, ergab sich daraus eine heitere Gemeinschaftsinspektion.
Als sie sich aber später dann allein in ihren Zimmer wiederfand, überfiel sie, eigentlich wie immer am ersten Abend in einer fremder Umgebung, so eine gewisse Art von heimtückischer Verlassenheit. O ja, diese fröstelnde Fremdheit, diese seltsame, kaum definierbare Verlassenheit, fürchtete, ja verabscheute sie ungemein. Und nun wieder die gleichen Symptome; sie tat sich unheimlich schwer, sich dem Neuen, dem Fremden zu öffnen, beides miteinander zu vermischen. Ebenso der Schlaf, der sich in der ersten Nacht, vor lauter Fremde, vor lauter Unruhe, sich nicht einstellen wollte, obwohl der Körper danach verlangte.
Schließlich gab Lena nach, und stand wieder auf. Sie öffnete vorsichtig die Balkontür und blieb entzückt vor Staunen stehen. Was für eine Stille, was für eine wohltuende Sanftheit! Sie wagte kaum zu atmen, so still war es ringsumher. Das nicht weit entfernte Meer, schimmerte dunkel, wie schillernde, fließende Seide. Nichts schien sich zu bewegen und dennoch war alles mit Leben erfüllt. Plötzlich tauchte aus fernen Dunst, ein unscheinbar mattes, goldgelbes Licht auf, das sich, wenn überhaupt, nur ganz langsam vorwärtsbewegte; wahrscheinlich ein Fischerboot. Sie lauschte gebannt, doch kein Laut war zu hören, nicht einmal der Schrei eines Vogels oder das Kläffen eines streunenden Hundes.
Sie wusste nicht zu sagen, wie lang sie so gestanden hatte – alles schien auf einmal so zeitlos, so unwichtig zu sein.
Der nächste Morgen begann, wie der Abend geendet hatte; mit einer unübertrefflichen Klarheit, die jedes Herz, auch das noch so Griesgrämigste, vor Freude höher schlagen ließ. Das Meer, nun blau wie der Himmel, bescherte einen ungehinderten, weiten Blick, so dass die Insel Capri unglaublich nahe erschien, obwohl die Entfernung
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