Die Ueberbuchte
interessant erscheinende Details erkennen konnte – was natürlich ihre Fantasie beflügelte.
Sie hatte daher im kleinen Reiseführer nachgesehen, welcher Bus dafür in Frage kam. Übrigens eine Einrichtung, die sie nicht genug loben konnte, da alle Buslinien, egal wie oft und wohin, kostenlos waren – da im Reisepreis enthalten. Also eine wunderbare Sache!
Jedoch einen entscheidenden Nachteil schien diese weitgehend unbürokratische Beförderung doch zu haben, denn an einen Sitzplatz war nicht zu denken. Höchstwahrscheinlich nur in aller Frühe oder am späten Abend. Sich aber darüber aufzuregen, fiel ganz offensichtlich nur demjenigen ein, der pausenlos Kritik für eine Tugend hielt.
Wie Lena richtig vermutet hatte, war diese winzige, terrassenförmig übereinander getürmte Ortschaft, ein so durch und durch malerisches Fleckchen Erde, dass sie nicht recht wusste; träumte oder wachte sie. Sie schaute und schaute … In der von Felsen eingerahmten, fast zierlich wirkenden Bucht, hoben und senkten sich im Wind, wie im ewigen Spiel begriffen, die zahlreichen von der Sonne beschienenen, buntbemalten Boote. Auf der flachen Mole roch es nach Fisch, Teer und frischer, öliger Farbe. Dazu das leicht bewegte Meer, welches helle Schaumfetzen über die von Algen schlüpfrigen braungrünen Felsensteine spritzte, und vom dunkleren Rand des Ufers abgesehen, eine eher gleichmäßig hell glänzende Oberfläche aufwies – eine Schönheit ohne Ende …
Am späten Nachmittag erst, kam Lena ins Hotel zurück. Knut war anscheinend schon vor längere Zeit zurückgekehrt, denn er hielt sich im Thermalbad auf. Als er sie am Beckenrand bemerkte, schwamm er zu ihr hin und fragte: »Na, wie war’s?«
»Herrlich! Einfach herrlich!«
»Und wo waren Sie?«
»In S. Angelo – einfach zauberhaft«, wiederholte sie.
»Darüber müssen Sie mir schon etwas ausführlicher berichten! Ich komme gleich.«
Lena nickte und suchte sich auf der Sonnenterrasse einen besonders schönen Platz aus.
»Das Thermalbad ist eine Wucht!«, rief Knut ihr entgegen.
»Ja, das ist es.« Sie sah ihn fragend an: »Und wo waren Sie eigentlich die ganze Zeit?«
Er rückte seinen Stuhl in den vom Sonnenschirm gespendeten Schatten. »Ich muss vorsichtig sein, meine Haut verbrennt schneller als mir lieb sein kann.«
Einer von dem braungebrannten, gutaussehenden Italienern brachte ihnen Cappuccino und Eis an den Tisch.
»Oh!«, murmelte Lena.
Knut lächelte und sagte auf Italienisch etwas zu dem jungen Mann, worauf dieser herzlich lachend zu Lena hinsah.
»Sie sprechen italienisch?«, staunte Lena.
»Gottbewahre!«, wehrte Knut mit der Hand ab. »Es sind nur einige wenige Worte, die man mit der Zeit so mitbekommt.«
»Gehört dieser junge Mann, und auch der etwas Ältere, die abends servieren, auch zur Familie?«
»Natürlich, auch die jungen Frauen; eigentlich alle, bis auf die Köchin, die soll angeblich nur auf Umwegen mit ihnen verwandt sein.«
»Und welche von den Frauen, ist die Ihres Kollegen?«
»Keine davon, denn die habe ich heute auch erst kennengelernt. Sie hat vor einigen Wochen ihr erstes Kind geboren – ein Mädchen.«
»Aha, dann wohnen sie wohl in einer anderen Gegend?«
»Ja.« Er musste husten. »Das Eis …«, sagte er mit hüstelnder Stimme, »ich kann einfach kein Eis essen ohne einen Hustenanfall zu bekommen.« Nach einer Weile, als er sich so einigermaßen beruhigt hatte, fuhr er fort: »Sie besitzen ein Häuschen, ein bildhübsches Anwesen oben in den Bergen. Angeblich eine Erbschaft.« Er zögerte und sah verunsichert zur Seite. »Wenn Sie mich fragen, ein eher undurchsichtiges Unternehmen. Ich kann mir nicht helfen, aber ich werde das Gefühl nicht los, dass er ganz offensichtlich nach einem lukrativen Geldgeber Ausschau hält. Ich kann mich natürlich auch irren, da ich von Immobiliengeschäften überhaupt nichts verstehe.«
»Wie, das verstehe ich jetzt nicht ganz; ich denke er ist am Hotel beteiligt?«
»Ja, schon, aber wahrscheinlich nur zu einem geringen Prozentsatz. Und genau das scheint der springende Punkt zu sein; er möchte sich um jeden Preis einen größeren Anteil sichern, oder was noch besser wäre, sich vollkommen selbstständig machen. Das aber scheint ohne einen finanzkräftigen Teilhaber, möglichst noch einem ›stillen Teilhabers‹, nicht realisierbar zu sein. Das wenigstens war mein persönlicher Eindruck.«
»Warum nicht, das klingt ja ganz einleuchtend. Vielleicht erhofft er sich, Sie für
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