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Die Überlebenden der Kerry Dancer

Die Überlebenden der Kerry Dancer

Titel: Die Überlebenden der Kerry Dancer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alistair MacLean
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ihm vorbei, so schwach, daß er sich wie eine flüchtige Erinnerung in der stickigen Luft des Raumes verlor. In der Nähe der Tür rutschte sie aus und wäre beinahe gefallen, wenn nicht McKinnon die Hand ausgestreckt hätte, um ihr zu helfen. Sie nahm sie ohne jedes Zögern, und gemeinsam gingen sie durch die Tür nach draußen.
    Eine Minute später waren auch die beiden Schwerverletzten an Deck, der eine von Nicolson, der andere von McKinnon getragen. Die Kerry Dancer, die achtern bereits tief im Wasser lag, saß mit dem Vorschiff noch immer auf dem Felsen fest und drehte sich bei jeder Woge, die auf Steuerbordseite entlangstrich, ruckartig weiter herum, so daß sie mit dem Bug langsam und unausweichlich immer mehr gegen die See stand. Eine Minute höchstens noch, nach Nicolsons Schätzung, und das Rettungsboot würde das letzte Restchen Schutz verloren haben und den schweren Brechern ausgesetzt sein, die kürzer und steiler als je über die Untiefe herankamen. Das Boot, das jetzt aufs Wasser klatschte, jetzt in kurzen, tückischen Bögen schlingerte, schwankte bereits unkontrollierbar in den heranrollenden Wogen, und jedesmal kamen an Backbordseite Eimer von Wasser über den Dollbord. Nicht einmal mehr eine Minute, mußte Nicolson denken, sprang über die Reling und wartete, daß ihm McKinnon den ersten der beiden Schwerverletzten herüberreichte. Nur noch Sekunden, und jede weitere Einschiffung würde völlig unmöglich sein – das Rettungsboot würde ablegen müssen, um sich selber zu retten. Nur Sekunden noch, und das Verteufelte dabei war, daß sie es mit Schwerkranken zu tun hatten, vielleicht sogar mit Sterbenden, und das auch noch bei fast völliger Finsternis: die Kerry Dancer hatte sich inzwischen so weit gedreht, daß das Licht der Scheinwerfer der Viroma durch die Aufbauten verdeckt war.
    Nicolson, gegen die Schräglage des Decks nach innen gelehnt, übernahm von McKinnon den ersten Mann, wartete, bis der Bootsmann seine Hände in seinem Koppel verankert hatte, drehte sich um und lehnte sich weit nach außenbords, als das Boot jetzt auf einer Woge aus der Dunkelheit nach oben in den schwachen Strahl aus Vanniers Taschenlampe kam. Dochertee und Arnes, beide gehalten von mehreren Soldaten, die auf den Seitenbänken saßen, kamen stehend fast auf gleiche Höhe mit Nicolson – da die Kerry Dancer jetzt achtern tiefer im Wasser lag. Sie hatten den Verwundeten schon beim ersten Versuch sicher gefaßt und legten ihn unten auf die Duchten, während das Boot in das nächste Wellental sank. Nur sechs oder sieben Sekunden später lag der zweite Verwundete neben seinem Gefährten auf dem Boden des Bootes. Es hatte rasch gehen müssen, sie hatten die Schwerverwundeten hart anfassen müssen, doch keiner von beiden hatte auch nur leise gewimmert, obwohl sie bestimmt heftige Schmerzen gehabt hatten.
    Nicolson rief nach Miss Drachmann. Diese aber schob zwei Verwundete nach vorn, die gehen konnten; beide sprangen gleichzeitig und landeten sicher im Boot. Nur noch ein Soldat. Es war jetzt höchste Eisenbahn, dachte Nicolson grimmig: die Kerry Dancer lag mit dem Bug schon weit herum gegen die See. Doch dieser letzte Soldat kam nicht. Nicolson konnte ihn in der Dunkelheit nicht sehen, aber er konnte seine hohe angstvolle Stimme hören, wenigstens fünf Meter von ihm entfernt. Er konnte auch hören, wie die Schwester mit sanfter Stimme eindringlich auf ihn einsprach, doch ihr gutes Zureden schien keinen Erfolg zu haben.
    »Was ist eigentlich los, verdammt noch mal!« rief Nicolson wütend.
    Er hörte ein undeutliches Gemurmel, und dann rief das Mädchen: »Nur noch einen Augenblick, bitte.«
    Nicolson drehte sich um, sah die Backbordseite der Kerry Dancer entlang nach vorn und hob dann in unwillkürlicher Abwehr den Arm, als die Scheinwerfer der Viroma langsam um die Aufbauten der schwoienden Kerry Dancer herumkamen und seine an die Dunkelheit gewohnten Augen trafen. Die Kerry Dancer hatte jetzt ganz gedreht und lag nun mit dem Bug genau gegen die See. Das Rettungsboot war völlig schutzlos. Nicolson sah, wie die erste der hohen, schaumgekrönten Wogen herankam und lautlos und geschmeidig die überhängende Bordwand entlanglief. Die nächste Woge kam nicht weit dahinter. Wie groß sie war, konnte Nicolson nicht feststellen – die Kegel der Scheinwerfer, die über die Oberfläche des Meeres hinstrichen, hoben die weißen Schaumkronen in leuchtende Helligkeit, ließen aber die Wellentäler in undurchdringlicher

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