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Die Überlebenden der Kerry Dancer

Die Überlebenden der Kerry Dancer

Titel: Die Überlebenden der Kerry Dancer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alistair MacLean
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Schwärze. Doch sie waren reichlich groß, allzu hoch und allzu steil – ein halbes Dutzend von dieser Sorte, und das Rettungsboot würde vollschlagen und kentern. Zumindest würden sie den Vergaser des Motors unter Wasser setzen, und das würde genauso katastrophale Folgen haben.
    Nicolson fuhr herum, sprang über die Reling, rief Vannier und Ferris zu, sie sollten in das Boot gehen, und McKinnon, er sollte achtern loswerfen, und lief halb rennend, halb stolpernd über das schlüpfrige Deck dorthin, wo das Mädchen und der Soldat standen, in der Mitte zwischen dem Windfang des Logis und der Leiter, die zur Hütte hinaufführte.
    Er verlor keine Zeit mit Förmlichkeiten, sondern faßte das Mädchen bei den Schultern, drehte sie herum und schob sie nicht allzu sanft zur Reling, drehte sich dann wieder um, griff sich den Soldaten und fing an, ihn über das Deck zu ziehen. Der Junge leistete Widerstand, und als Nicolson nach einem besseren Griff suchte, schlug er plötzlich nach ihm und erwischte Nicolson zwischen den Augen. Nicolson taumelte und fiel halb auf das nasse, schräge Deck, war wie eine Katze sofort wieder hoch, machte einen Satz auf den Soldaten zu – und fluchte dann, leise aber erbittert, als sein Arm, mit dem er zu einem Schwinger ausgeholt hatte, von hinten ergriffen und festgehalten wurde. Ehe er ihn wieder frei machen konnte, hatte der Soldat sich umgedreht und war wie ein Besessener die Leiter nach oben gestiegen, daß die Nägel an seinen Schuhen auf dem Metall der Stufen kreischten.
    »Dummes Ding!« sagte Nicolson ruhig. »Sie kleines verrücktes Stück!« Er machte unsanft seinen Arm los, setzte erneut zum Sprechen an, doch dann sah er, wie der Bootsmann, der als scharfumrissene Silhouette vor dem hellen Licht des Scheinwerfers außerhalb der Reling an der Bordkante stand, ihm aufgeregt Zeichen machte. Nicolson verlor keine Zeit. Er drehte die Schwester herum, schob sie eilig vor sich her über das Deck und schwang sie über die Reling. McKinnon ergriff sie am Arm, sah nach unten, wo das Rettungsboot nur undeutlich sichtbar in der Dunkelheit eines Wellentals schaukelte, und wartete auf die Gelegenheit zum Absprung. Nur für einen kurzen Augenblick sah er sich dabei um, und Nicolson konnte dem besorgten und erregten Ausdruck seines Gesichtes entnehmen, daß er wußte, was geschehen war.
    »Brauchen Sie mich, Sir?«
    »Nein.« Nicolson schüttelte resolut den Kopf. »Das Boot ist wichtiger.« Er starrte nach unten auf das Boot, das sich in diesem Augenblick schwerfällig ins Licht schob, während das Wasser eines hohen Brechers über seinen Bug hereinbrach. »Mein Gott, McKinnon, das Boot schlägt voll! Nehmen Sie es schleunigst von hier fort! Ich werfe die vordere Leine los.«
    »Jawohl, Sir.« McKinnon nickte sachlich und zustimmend, wartete den genau richtigen Augenblick ab und machte von der Bordwand einen Schritt hinüber auf die Mastducht, gemeinsam mit dem Mädchen; hilfreiche Hände ergriffen und hielten sie, als das Boot wieder versank und in der Dunkelheit eines Wellentales verschwand. Eine Sekunde später verschwand die vordere Leine wie eine Schlange nach unten, während Nicolson, über die Reling gebeugt, hinunterstarrte.
    »Alles in Ordnung, Bootsmann?« rief er.
    »Ja, Sir, alles klar. Ich gehe unter das Heck, in Lee.«
    Nicolson entfernte sich von der Reling, ohne abzuwarten, was weiter geschah. Die Chance, daß ein vollgeschlagenes Rettungsboot beim Ablegen in dieser groben See kenterte, war verdammt groß, aber wenn McKinnon sagte, alles sei klar, dann war auch alles klar; und wenn er sagte, er wolle verholen und unter das Heck gehen, dann würde er auch dort liegen und warten. Nicolson teilte Kapitän Findhorns uneingeschränktes Zutrauen zu der Initiative, der Verläßlichkeit und überragenden seemännischen Tüchtigkeit des Bootsmannes.
    Am Ende der Leiter, die zur Hütte hinaufführte, blieb er stehen, die Hand am Geländer, und wandte sich langsam um. Vor sich hatte er die Aufbauten der Kerry Dancer, und dahinter, rechts und links davon, erstreckte sich in der Ferne der lange, schmale Schatten des Tankers, ein dunkler Fleck auf dem Wasser, mehr zu ahnen als zu sehen hinter der grellen Helligkeit seiner Scheinwerfer. Doch diese Scheinwerfer, stellte Nicolson plötzlich fest, waren nicht annähernd mehr so hell und intensiv, wie sie noch vor zehn Minuten gewesen waren. Einen Augenblick lang schoß es ihm durch den Kopf, die Viroma müsse wohl gedreht haben, mit Kurs hinaus

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