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Die Überlebenden der Kerry Dancer

Die Überlebenden der Kerry Dancer

Titel: Die Überlebenden der Kerry Dancer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alistair MacLean
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zur Brücke.

Fünftes Kapitel
    E ine halbe Stunde später befand sich die Viroma gleichmäßig schlingernd in voller Fahrt auf südwestlichem Kurs, während der langgestreckte, undeutliche Umriß der Insel Metsana an Steuerbordseite zurückblieb und in der Dunkelheit verschwand. Der Taifun ließ seltsamerweise noch immer auf sich warten, die orkanartigen Winde waren nicht wiedergekehrt. Die Erklärung dafür konnte nur sein, daß sie sich in der gleichen Richtung bewegten wie der Sturm; doch irgendwann einmal mußten sie aus dem Zentrum heraus und durch den Sturm hindurch.
    Nicolson, der sich unter der Dusche heftig geschrubbt hatte und fast frei von Öl war, stand in der Nähe des Windfanges auf der Brücke und sprach gemächlich mit dem Zweiten Offizier, als Findhorn zu ihnen trat. Er klopfte Nicolson leicht auf die Schulter.
    »Kommen Sie doch bitte auf ein Wort in meine Kabine, Mister Nicolson. Sie werden allein zurechtkommen, Mister Barrett?«
    »Ja, Sir, natürlich. Und ich rufe Sie, wenn irgend etwas ist?« Es war halb eine Frage, halb eine Feststellung und durch und durch typisch für den Zweiten. Barrett, eine Reihe von Jahren älter als Nicolson, stur und phantasielos, war durchaus zuverlässig, hatte aber nicht die geringste Lust, Verantwortung zu übernehmen, und das war wohl der Grund dafür, daß er es noch immer nicht weiter gebracht hatte als bis zum Zweiten Offizier.
    »Tun Sie das.« Findhorn ging durch den Kartenraum voraus zu seiner Tageskabine – auf demselben Deck gelegen wie die Brücke –, schloß die Tür, überzeugte sich, daß die Verdunklungsblenden geschlossen waren, machte das Licht an und bat Nicolson mit einer Handbewegung, auf dem kleinen Sofa Platz zu nehmen. Er bückte sich, um einen Wandschrank zu öffnen, und als er wieder hochkam, hatte er zwei Gläser und eine noch nicht geöffnete Whiskyflasche in der Hand. Er löste den Verschluß, schenkte beide Gläser drei Finger breit voll und schob das eine Nicolson hinüber.
    »Schenken Sie sich selbst Wasser zu, Jonny. Sie haben wahrhaftig einen Schluck verdient – und ein paar Stunden Schlaf. Legen Sie sich nachher gleich lang.«
    »Mit Vergnügen«, brummte Nicolson. »Sobald Sie aufwachen, gehe ich sofort in die Koje. Sie haben gestern die ganze Nacht die Brücke nicht verlassen. Oder hatten Sie das vergessen?«
    »Schon gut, schon gut.« Findhorn lächelte und hob in halber Abwehr die Hand. »Darüber können wir nachher streiten.« Er nahm einen Schluck von seinem Whisky und sah dann über den Rand seines Glases nachdenklich zu Nicolson hinüber. »Also, Jonny, was für einen Eindruck hatten Sie von ihr?«
    »Von der Kerry Dancer?«
    Findhorn nickte und wartete.
    »Ein Sklavenhändler«, sagte Nicolson. »Erinnern Sie sich noch an den arabischen Dampfer, den die Navy voriges Jahr außerhalb von Ras-all-Hadd anhielt?«
    »Ja, ich erinnere mich.«
    »Genau dasselbe, mit unerheblichen Unterschieden. Überall Stahltüren, auf dem Hauptdeck und den Oberdecks. Die meisten davon nur von einer Seite zu öffnen. Luken von zwanzig Zentimeter Durchmesser – soweit überhaupt welche da waren. Eiserne Ringe über jeder Koje. Die Lieferanten hier auf den Inseln, nehme ich an, und genügend Abnehmer da oben in der Gegend von Amoy und Macao.«
    »Und das im zwanzigsten Jahrhundert, wie?« sagte Findhorn leise. »Einkauf und Verkauf von Menschenleben.«
    »Ja«, sagte Nicolson trocken. »Aber diese Leute lassen die Menschen wenigstens am Leben. Warten Sie nur ab, bis sie das Niveau der zivilisierten westlichen Nationen erreicht haben und anfangen, die Sache in großem Maßstab zu betreiben – Giftgas, Konzentrationslager, Luftangriffe auf offene Städte, und was Sie sonst noch wollen. Man muß den Leuten nur Zeit lassen. Sie sind bisher nur Dilettanten.«
    »Zynismus, mein Lieber, Zynismus.« Findhorn schüttelte tadelnd den Kopf. »Jedenfalls, was Sie mir da von der Kerry Dancer erzählen, bestätigt, was ich von Brigadekommandeur Farnholme hörte.«
    »So, Sie haben mit Seiner Lordschaft gesprochen«, sagte Nicolson grinsend. »Und wird er mich morgen bei Tagesanbruch vors Kriegsgericht stellen?«
    »Wie bitte?«
    »Er war nicht ganz mit mir einverstanden«, sagte Nicolson, »und daraus hat er auch kein Hehl gemacht.«
    »Dann muß er sein Urteil über Sie revidiert haben.« Findhorn schenkte erneut ein. »›Fähiger junger Mann das, sehr fähig, aber – hm – ein wenig ungestüm.‹ So ungefähr drückte er sich aus. Ein ulkiger

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