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Die Ueberlebenden von Mogadischu

Titel: Die Ueberlebenden von Mogadischu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Rupps
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tropische Gewitter die Nacht zum Tage machten und die Navigation sehr schwierig war – und ich mutterseelenallein in meinem Cockpit ... als Kopilot ›half‹ mir Mahmud ...«
     
    Wir hatten auf dem Flug nach Mogadischu viel Glück, sehr viel Glück!
    Wie lange dauerte dieser Flug?
    Ungefähr vier Stunden.
    Jetzt war Mahmud Ihr Kopilot.
    Er war schon ziemlich zermürbt. Er hatte in Aden einen Gesichtsverlust erlebt, weil er dort nicht auf einem »roten Teppich« empfangen worden war. Die Regierungsvertreter haben nur zu ihm gesagt: »Haut sofort wieder ab, 272 wir wollen Euch nicht.« Deshalb war er ziemlich geknickt. Ich habe ihn dann die Checkliste lesen lassen und bei fliegerischen Entscheidungen scheinbar um Rat gefragt. Er sagte nur noch yes, yes, yes.
    (Jürgen Vietor, 2011 )
    Die Passagiere wissen um den besorgniserregenden Zustand der Maschine, wie die befreite Geisel Cäcilie Meijer-Werner im Gespräch mit Ebbo Demant berichtet, und danken Jürgen Vietor die vier Stunden sicheren Fluges nach Mogadischu besonders.
    Für diesen ist das Thema »Mogadischu« schon seit fast 30 Jahren – unterbrochen durch die Zeit des Andrawes-Prozesses – mehr oder weniger abgeschlossen. »Es war für mich abgeschlossen«, sagt er im Gespräch, »als ich wieder fliegen konnte. Seither bin ich nur noch höflichkeitshalber irgendwo hingefahren, etwa als Ulrich Wegener seinen 80.   Geburtstag hatte oder wenn ich um eine Schilderung des damaligen Ereignisses gebeten werde. Von mir aus ergreife ich keine Initiative.«
    Doch gibt es nach wie vor zwei Rätsel, die er nicht selbst lösen kann. Das eine ist persönlicher Natur: Noch immer weiß er nicht, für welchen Kopiloten-Kollegen er am Morgen des 13.   Oktober 1977 auf dem Flug LH 180 von Frankfurt nach Palma – damit auch auf dem Flug LH 181 von Palma nach Frankfurt – einspringen musste. Jürgen Vietor war aus dem »Stand-by«, einem Flug-Bereitschaftsdienst, zum Einsatz gerufen worden. Weshalb hat der Kollege seinerzeit den Flug nicht angetreten? Waren es persönliche Gründe? War er krank oder nahm er sich nur kurzfristig frei?
    Der Kollege, dem schicksalhaft eine traumatische Erfahrung erspart blieb, hat sich bis heute nicht bei Jürgen Vietor gemeldet.
    Das zweite Rätsel, das ihn nach wie vor beschäftigt, sind die Umstände der Ermordung seines Kollegen: »Jürgen Schumanns Tod und die Frage, was in Aden geschah, haben mein Leben nachhaltig bestimmt«, sagt Jürgen Vietor im Jahr 2007 zu der Journalistin Anne Ameri-Siemens. Er hat aus persönlichem Interesse eigene Recherchen im politischen Archiv des Auswärtigen Amtes angestellt. 273 Doch die Akten dokumentieren lediglich den bürokratischen Aufwand, der mit dem Irrflug der »Landshut« verbunden war, sie blieben, was die Hintergründe der Aktion betrifft, unergiebig.
    In der Fernsehdokumentation Tödliche Schokolade von 2010 [über den Hauptverantwortlichen der »Landshut«-Entführung, den palästinensischen Terrorchef Wadi Haddad, und dessen Ermordung mit Hilfe von vergifteter Schokolade; Anm. d. Verf.] stehen in einer Szene einige Ordner »Mogadischu« auf dem Tisch. Diese Ordner wollte Jürgen Vietor ebenfalls gern prüfen. Deshalb hat er bei der Behörde des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR die Akten zur »Landshut«-Entführung eingesehen, allerdings keinen weiteren Aufschluss erhalten.
    Die Erschießung von Jürgen Schumann war lange das Lebens­thema seiner Witwe Monika Schumann, die nunmehr die Vorgeschichte der Ermordung ihres Mannes zu kennen glaubt, und des Kopiloten auf Schumanns letztem Flug, Jürgen Vietor, der weiter nach Antworten auf für ihn offene Fragen sucht. Ihre Blickwinkel auf das Drama mögen verschieden, ihre Lebenswege sehr unterschiedlich verlaufen sein – eine schicksalhafte Verbindung zwischen ihnen wird dennoch immer bleiben. 273

274 »Es gibt keine Exopfer«
    2007 führten Gabriele von Lutzau und der Theaterregisseur Claus Peymann ein Gespräch für das Süddeutsche Zeitung Magazin . Claus Peymann hatte in den siebziger Jahren eine Kontroverse ausgelöst, weil er im Stuttgarter Theater einen Aushang, auf dem zu Spenden für eine Zahnbehandlung von Gudrun Ensslin aufgerufen wurde, tolerierte. Im neuen Jahrtausend bot er dem RAF -Terroristen Christian Klar für die Zeit nach der Haftentlassung eine Praktikumsstelle beim Berliner Ensemble an.
    »Ich frage mich oft«, so eine der ersten Bemerkungen von Gabriele von

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