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Die Ueberlebenden von Mogadischu

Titel: Die Ueberlebenden von Mogadischu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Rupps
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kleines Kind zu Hause. Ich gebe Ihnen alles, was ich besitze, Sie können noch mehr haben, wenn Sie wollen, alles, nur, bitte, lassen Sie mich am Leben!«
    Wichtig für die befreiten Geiseln ist jetzt die Art und Weise, wie ihnen die Angehörigen und Freunde begegnen. Diese Begegnungen können den Opfern helfen oder sie weiter schwächen. Die Bandbreite dessen, was die »Landshut«-Geiseln im Familien- und 108 Freundeskreis erleben, reicht von starkem Einfühlen über Hilflosigkeit bis hin zu völligem Unverständnis.
    Ein trauriges oder fast schon skurriles Beispiel der Ignoranz Angehöriger bietet ein Sarghersteller, der eine Werbung für seine Sargmodelle mit »Mogadischu« in Verbindung bringt und auf diese Weise die persönliche Betroffenheit seiner Familie in eine verkaufsfördernde Maßnahme buchstäblich umzumünzen versucht.
    Zusätzlich erschwert wird die Situation durch spinnerte Morddrohungen. Drohungen am Telefon gehen zum Beispiel bei Ga­briele Dillmann und bei Birgitt Röhll in Westberlin ein. Letztere packt bald wieder ihre Koffer und fährt mit ihrer Familie nach Westdeutschland. Dort hofft sie zur Ruhe zu kommen.
    Beate Zerbst, wie Beate Keller damals hieß, hat es vergleichsweise leicht. Sie, die während der fünf Tage fünf Kilogramm Gewicht verlor, wird von ihrem Freund und ihren Eltern fürsorglich aufgerichtet. Allerdings melden sich die Freundinnen nicht. »Das hat mich damals stutzig gemacht«, erzählt Beate Keller in der Rückschau, »ich habe mich gefragt, mein Gott, die wissen doch jetzt, dass ich zurück bin, weshalb meldet sich niemand bei mir? Selbst meine besten Freundinnen riefen nicht an, niemand. Die wussten nicht, wie sie mit der Situation umgehen sollten. Das Ende vom Lied war, dass ich selbst alle angerufen habe, obwohl eigentlich ich die Geschädigte war. Es stellte sich dann heraus, dass mich die anderen in Ruhe lassen wollten.«
    In mehreren Fällen kommen Familien, von denen nur die Frau oder nur der Mann im Flugzeug saß, nur schwer wieder zusammen. Die zurückgekehrte Geisel hat etwas erlebt, das ihre Kräfte überstiegen hat. Das Thema nimmt sie oder ihn jetzt völlig ein. Der Partner oder die Partnerin zu Hause hatte zwar große Angst um ihn oder sie, ist aber nicht traumatisiert. Heute steht außer Zweifel, dass solche Paare psychologische Unterstützung brauchen, aber 1977 herrschte dieses Bewusstsein noch nicht, die »Landshut«-Opfer und ihre Partner waren auf sich gestellt.
      109 Ein Mann sagt zu seiner Frau, die nach der Entführung unter Angstzuständen leidet: »In der Wohnung bist du doch sicher. Hier kann dir nichts passieren.« Worauf die Frau sagt: »Ich habe auch einmal gedacht, dass einem auf einem kurzen Flug von Mallorca nach Frankfurt – eine Strecke, die in jedem Jahr von Tausenden benutzt wird – nichts passieren kann.«
    Ein Mann führt seine Frau, die in der »Landshut« saß, in ein teures Restaurant, um ihr einen schönen Abend zu bereiten. Dort sieht sie einen Ober, der sie mit seiner dunklen Hautfarbe und seinem schwarzen Haar an die Terroristen im Flugzeug erinnert. Die Frau geht auf die Toilette und fängt an zu weinen. Sie bekommt eine solche Angst, dass sie nicht allein zurück an den Tisch gehen kann. Sie nimmt an diesem Abend keinen Bissen mehr zu sich.
    In anderen Fällen sind auch die Ehepartner der Geiseln nachhaltig verstört, können das Erlebte nicht verarbeiten. Ein Familienvater, der in der »Landshut« gesessen hat, macht um Weihnachten 1977 mit Frau und Kindern Urlaub. Nach acht Tagen brechen sie die Reise vorzeitig ab und kehren nach Hause zurück. »Am Anfang weiß man noch ziemlich viel mit sich anzufangen [. . . ]«, erzählt die Geisel 1978 in der ZDF -Dokumentation 106 Stunden. Zwischen Palma und Mogadischu. Die »Landshut«-Passagiere heute . Aber irgendwann habe man viel Freizeit, habe Ruhe gehabt, die Gedanken an die vergangenen Erlebnisse seien zurückgekommen. »Meine Frau fing dann an zu weinen«, berichtet der Ehemann. Sie bekommt das Bild, wie sie ihn nach seiner Rückkehr in Frankfurt wiedersah, nicht aus dem Kopf. »Das verfolgt mich bis heute noch«, sagt die Ehefrau in dem Film, »das ist wie ein Brett vor dem Kopf, das werde ich nicht los. Und das war im Urlaub besonders schlimm.«
     
    Was ist Ihnen vom Tag der Befreiung Ihres Vaters (Matthias Rath) besonders haftengeblieben?
    Dorothe Köster: Meine Mutter, zwei Geschwister meines Vaters und ein Schwager holten ihn in Frankfurt ab. Mittags saßen meine

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