Die Ueberlebenden von Mogadischu
ebenfalls im Flugzeug war, ihr nach Frankfurt geeilter Mann und der Schwiegervater. Birgitt Röhll wirkt traumatisiert. Sie spricht nicht von Terroristen, sondern von »Freiheitskämpfern«. Der Journalist stellt während dieses ersten Fluges nach ihrer Rückkehr aus Mogadischu Fragen wie: »Kann man jetzt rund 16 Stunden nach allem überhaupt beschreiben, was Sie in diesem Moment bewegt?« oder: »Was bereitete Ihnen die größten Qualen?«
Die Journalisten suchen auch die Familien der Geiseln auf, um an Stoff für ihre Geschichten zu kommen. Im Haus der Eltern einer Geisel lichten Pressefotografen sämtliche Familienfotos ab, die an der Wand hängen.
Besonders schwer genießbar sind in der Rückschau die Berichte der Boulevardpresse wie der damals noch existierenden Illustrierten Quick . Das menschliche Drama um die entführte »Landshut« wird weiter zugespitzt, ohne Rücksicht auf die Empfindungen der Betroffenen – und nicht selten ohne Rücksicht auf die Wahrheit.
Eine pauschale Journalistenschelte wäre aber zu billig. Die Vertreter von Presse und Rundfunk sind nicht einfach ungebetene Eindringlinge, sondern übernehmen Rollen in einer großen Inszenierung. Die Deutsche Lufthansa selbst führte die zwei prominentesten Geiseln, Gabriele Dillmann und Jürgen Vietor, dem Stern zu, und damit einem Leitmedium der Zeit.
115 Herr Vietor, Sie konnten und wollten sofort nach der Befreiung über das Ereignis sprechen. Gabriele Dillmann, heute von Lutzau, und Sie waren die wichtigsten Interview-Partner für die große Serie im Stern .
Am Mittag nach unserer Rückkehr haben mich Chefpilot Martin Gaebel und Flottenchef Peter Heldt in Bensheim besucht. Martin Gaebel sagte zu mir: »Es wird jetzt viel über die Entführung geschrieben. Die Lufthansa fände es gut, wenn einmal eine autorisierte Person erzählt, wie es wirklich gewesen ist. Draußen im Wagen sitzt ein Herr Heidemann vom Stern ... «
... der Heidemann mit den Hitler-Tagebüchern?
Ja, der den Kauf dieser gefälschten Tagebücher eingefädelt hat. Aber das war ja viel später. Ich habe ihn als freundlich und sympathisch erlebt. Jedenfalls sagte Martin Gaebel zu mir: »Ich habe draußen im Auto einen Freund sitzen, für den lege ich meine Hand ins Feuer. Er ist Reporter beim Stern . Kann ich den einmal hereinholen?« Dann ging Martin Gaebel zum Auto und kam mit Gerd Heidemann zurück. Martin Gaebel und Peter Heldt verabschiedeten sich und Gerd Heidemann interviewte mich bis Mitternacht, glaube ich.
Sie wurden sozusagen frisch zurück dem Stern übergeben.
Ja, richtig. Ich sah mich in einer Loyalität zu meinem Chefpiloten und meinem Flottenchef. Heute würde man das vom Ablauf her bestimmt anders machen. Aber in der Rückschau glaube ich, dass Martin Gaebel mit seinem Argument, die Lufthansa sollte die Geschichte einmal von Anfang bis Ende richtig erzählen, recht hatte.
Bekamen Sie von der Lufthansa ein Honorar dafür?
Nein, vom Stern .
Wie viel?
Gerd Heidemann bot eine fünfstellige Summe. Ich habe gesagt, wenn ich das schon mache, möchte ich die Summe X. Da musste Gerd Heidemann mit seinem Chef Henri Nannen telefonieren. Nannen gab sofort sein Okay.
(Jürgen Vietor, 2011 )
Gabriele von Lutzau hat an die Entstehung ihrer Exklusivgeschichte vergleichbare Erinnerungen: Das Interview sei ihr und Jürgen Vietor vom Vorstand des Flugbetriebes dringend nahegelegt wor 116 den, damit die Geschichte »ordentlich erzählt« würde. Es habe sich um einen »dienstlichen Auftrag« gehandelt. Das lange Gespräch wurde in einem Frankfurter Hotel geführt.
Doch bei Erscheinen der Artikel-Serie ist die Stewardess entsetzt über das, was die Stern -Leute aus ihrem Interview gemacht haben. »Im Prinzip hat ja alles gestimmt, was da drinstand«, sagt sie später zu der Journalistin Rosvita Krausz, »es waren halt die Fakten, und es war eine blutige Sache. Nur ob man das unbedingt so hätte auswalzen müssen? Ich weiß nicht. Dann wurden mir manche Sachen in den Mund gelegt, die ich nicht gesagt hatte, die aber nicht unbedingt unwahr waren.« Zugleich räumt Gabriele von Lutzau noch heute ein, dass ihr die Möglichkeit, sich beim Interview in Frankfurt das Erlebte von der Seele zu reden, gutgetan habe.
Auch Jürgen Vietor sieht die Stern -Erfahrung zwiespältig, er findet es einerseits richtig, authentisch Auskunft gegeben zu haben, möchte aber andererseits die spätere Verwertung nicht billigen.
Die Filmbranche interessiert sich früh für den
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