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Die Übermacht - 9

Die Übermacht - 9

Titel: Die Übermacht - 9 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Weber
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müden Knochen auf den nun freien Sitzplatz sinken ließ.
    »Wie ich gerade sagte«, fuhr er fort und wandte sich erneut Paityr zu, »ob es töricht von Ihnen ist, zornig zu sein, hängt von dem Grund Ihres Zorns ab. Zornig auf Gott zu sein, das ist wahrhaftig töricht, wenn man ganz ehrlich ist – und das ist vermutlich auch der Grund, warum wir alle so viel Zeit darauf verschwenden, genau diese Art Zorn zu verspüren, ob wir uns dessen nun bewusst sind oder nicht. Aber auf jene zornig zu sein, die Gottes Willen verzerren und entstellen, oder auf jene, die unter dem Vorwand, es sei Gottes Wille, anderen den eigenen Willen aufzwingen?« Er schüttelte den Kopf, und seine uralten Augen funkelten. »Daran ist überhaupt nichts töricht, mein Sohn! Hass ist wahrlich ein Gift, aber Zorn – guter, aufrechter Zorn, der Zorn, der aus der Empörung geboren wird, aus dem Bedürfnis heraus, die Schwachen zu beschützen oder den Gestrauchelten aufzuhelfen oder die Grausamen aufzuhalten –, das ist kein Gift! Das ist vielmehr Stärke. Zu viel davon mag zu Hass führen, ja, und von dort aus ist es nur noch ein einziger, kleiner Schritt in die Selbstverurteilung. Aber Sie sollten niemals unterschätzen, welche Kraft die richtige Art Zorn verleiht!«
    Die anderen lauschten nun alle den Worten des alten Bibliothekars, einige nickten zustimmend. Paityr registrierte, dass auch er nickte.
    »Sie befinden sich in einer einzigartigen Position, Pater«, fuhr Byrkyt schließlich fort. »Als Menschen befinden wir alle uns gleichsam in einer einzigartigen Position. Aber was Sie nicht nur als Mann Gottes tun, sondern als Schuelerit und Inquisitor hat ungleich größere Konsequenzen. Denn es wirkt sich auf ungleich mehr Menschen aus als das Tun anderer Männer Gottes. Dessen sind Sie sich auch bewusst, das weiß ich. Ich bin mir sogar ziemlich sicher, dass genau dies ein Grund dafür ist, das Ihr spirituelles Gleichgewicht erschüttert wurde. Sie haben zu viel Ihrer Zeit und Ihrer Kraft darauf verwendet, Ihre Verantwortung auf sich zu nehmen! Sie haben zu sehr versucht, in die Zukunft zu schauen und herauszufinden, worin genau diese Verantwortung eigentlich besteht, statt es sich von Gott einfach zeigen zu lassen! Und so etwas tut Er, verstehen Sie? Manchmal auf ganz direktem Wege, indem Er mit Seinem Finger geradewegs Ihr Herz berührt, und manchmal dadurch, dass er andere Seiner Kinder dazu bringt, Sie aus dem Graben herauszuholen, in den Sie gestürzt sind. Oder indem sie Ihnen einen Weg aufzeigen, den Sie allein niemals gefunden hätten.«
    »Ich weiß.« Paityr lächelte den alten Mann an. Dann blickte er sich um und zeigte dieses Lächeln allen hier versammelten Brüdern. »Ich weiß. Aber denken Sie, Er hat mich einfach nur zu Ihnen geschickt, damit Sie mich aus besagtem Graben herausziehen, oder auch, damit Sie mir einen neuen Weg aufzeigen? Sie haben nicht zufällig spirituelle Landkarten in Ihrer Bibliothek, oder, Pater Zhon?«
    »Also, das ist eine tiefgründige Frage! Genau das, was ich von einem Schueleriten auch erwartet habe!« Byrkyt erwiderte das Lächeln und tippte dem jungen Priester sanft gegen die Schläfe. »Und wie jede tiefgründige Frage gibt es dafür gewiss auch eine tiefgründige Antwort ... irgendwo. Aber das wird sich noch zeigen.« Sein Lächeln wurde sanfter, und nun legte er nachdenklich den Finger, mit dem er gerade eben noch Paityrs Schläfe berührt hatte, an die eigene Wange. »Das wird sich noch zeigen!«

 
Mai,
im Jahr Gottes 895

.I.
Der Tempel,
Zion, die Tempel-Lande
    »Oh, wie Recht Sie doch hatten, Rhobair!«, sagte Zhaspahr Clyntahn bissig. »Jetzt, wo uns doch endlich der vollständige Bericht vorliegt, fühle ich mich gleich viel besser! Geht es Ihnen nicht auch so?«
    Der Sarkasmus des Großinquisitors war noch beißender als sonst ... nicht, dass das Rhobair Duchairn überrascht hätte. Wenn überhaupt, dann war der Schatzmeister der Kirche des Verheißenen höchstens überrascht, weil Clyntahn keinen ausgewachsenen Wutanfall hatte.
    Das kann natürlich immer noch kommen , mahnte er sich selbst. Wir fangen ja gerade erst an. Langhorne allein weiß, was uns der Tag von Clyntahn noch so alles bringt!
    »Nein, Zhaspahr«, erwiderte er ruhig, »ich fühle mich nicht viel besser. Aber dieser Bericht bestätigt, was wir vorher nur vermuten konnten ... darunter die Tatsache, dass Allayns Plan, die Charisianer in die Irre zu führen, funktioniert hat. Denn es gibt keinen anderen Grund, aus dem

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