Die Übermacht - 9
schon auf seinem KontraGrav-Kissen auf. Turbinen kompensierten den peitschenden Wind, während das Schwebeboot rasch auf zwanzigtausend Fuß Höhe ging. Das Schiff durchbrach die dichte Wolkendecke und stieg weitere viertausend Fuß auf. In der dortigen, deutlich weniger bewegten Luft ging es dann in die Horizontale.
Hier oben, oberhalb des Sturms, gab es reichlich Mondlicht. Merlin blickte in die Tiefe, genoss die Schönheit der schwarzen, silbern beschienenen Wolkenberge. Schließlich atmete er tief durch – aus reiner Gewohnheit, nicht weil er tatsächlich hätte atmen müssen – und ging an die Arbeit.
»Also gut, Owl. Phase eins aktivieren.«
»Aktiviert, Lieutenant Commander«, erwiderte der Computer aus seinem Versteck. Die Höhle, die tief unter Safeholds höchstem Berg verborgen lag, war im Augenblick beinahe dreizehntausend Meilen von Merlins derzeitigem Aufenthaltsort entfernt. Die Signale zwischen dem Aufklärer-Schwebeboot und dem Computer wurden über die selbsttätig navigierenden, autonomen Aufklärer- und Kommunikationsplattformen weitergeleitet, die Merlin rings um den gesamten Planeten im Orbit ausgesetzt hatte. Diese hervorragend getarnten, fusionsbetriebenen SNARCs waren die tödlichsten Waffen in Merlins Arsenal. Er musste sich oft auf sie verlassen. Denn sie verliehen ihm und einer Hand voll Menschen, die in sein Geheimnis eingeweiht waren, Kommunikations- und Aufklärungsmöglichkeiten, mit denen es niemand sonst auf diesem Planeten aufnehmen konnte.
Bedauerlicherweise bedeutete das nicht, dass es nicht jemanden, besser etwas, jenseits des Planeten gab, das es durchaus mit ihnen aufnehmen konnte – oder Merlins SNARCs an Leistungsfähigkeit sogar noch überlegen war. Und genau darum ging es bei diesem Experiment.
Merlin hatte die Schiffbruch-Inseln mit Bedacht ausgewählt. Sie waren wirklich sehr abgelegen: Von hier aus waren es elftausend Meilen bis zum Tempel, fast neuntausend Meilen bis nach Tellesberg und mehr als siebentausend Meilen bis nach Cherayth. Selbst die Ödlande, die nächstgelegene Region, in der es überhaupt Siedler gab, waren noch rund dreitausend Meilen weit entfernt. Niemand würde sehen, was hier geschehen sollte. Und niemand (abgesehen von besagten Wyvern und Seehunden) würde das Leben verlieren, sollte es ... unschön werden.
Im Augenblick ließen die Sensordaten auf den Anzeigen des Aufklärer-Schwebeboots das allerdings nicht erwarten. Tatsächlich meldeten sie gerade, dass es auf den Inseln in einem halben Dutzend Städte und Dörfer mehrere tausend Menschen gäbe – allesamt erkannt an ihrer Thermosignatur. Eine Stadt befand sich angeblich genau dort, wo Merlin gerade eben das Gerät überprüft hatte, mehr als zwanzigtausend Fuß unterhalb des Schwebeboots. Denn genau dort hatte Owl besagtes Gerät aktiviert. Wer mit dem bloßen Auge diese Insel betrachtet hätte, dem wäre nichts aufgefallen. Die Sensoren des Schwebeboots aber hatten die neue Wärmequelle augenblicklich aufgespürt.
Merlin lehnte sich zurück und beobachtete die Thermosignatur: Die Temperatur stieg auf beinahe fünfhundert Grad Fahrenheit – diese Skala hatte vor fast neunhundert Safehold-Jahren Eric Langhorne den Kolonisten aufgezwungen, nachdem er sie einer gründlichen Gehirnwäsche unterzogen hatte. Als diese fünfhundert Grad erreicht waren, gab es keine weitere Änderung mehr. Hätte man den Ort auf der kleinen Insel mit Menschen- oder PICA-Augen betrachtet, so hätte man bemerkt, dass dort nun Dampf aufstieg. Es war nicht allzu viel Dampf, und der Wind trug die kleine Dampfwolke auch fast rascher davon, als sie überhaupt entstehen konnte. Doch die Sensoren hatten sie trotzdem bemerkt, und sie hatten auch erkannt, dass die Dampfentwicklung in Zyklen verlief. Nur eine künstliche Wärmequelle konnte ein solch regelmäßiges Muster entstehen lassen. Merlin wartete weitere fünf Minuten ab und beobachtete dabei unablässig die Instrumente.
»Irgendeine Reaktion der kinetischen Plattformen, Owl?«, fragte er dann.
»Negativ, Lieutenant Commander«, erwiderte die KI ruhig.
»Dann jetzt Phase zwei einleiten.«
»Eingeleitet, Lieutenant Commander.«
Einen Augenblick später orteten die Sensoren weitere Wärmequellen. Zunächst nur eine einzige Quelle, dann zwei, schließlich ein halbes Dutzend. Zwei Dutzend. Es wurden mehr und mehr, verstreut über alle vier Inseln, einzeln oder in Gruppen, alle im gleichen Temperaturbereich, aber von unterschiedlicher Größe. Und von ihnen
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