Die Übermacht - 9
bereits ausgeschickt waren. Also wurden aus Handelsgaleonen eine Flotte, um Jahras und Kholman glauben zu machen, sie könnten sich unmöglich den Weg auf das offene Meer freikämpfen. Währenddessen hat Charis alles zusammengerafft, was an Schiffen noch da war – einschließlich der wenigen Schiffe, die mit der neuen Waffe ausgestattet waren. Das hat Cayleb Harpahr dann entgegengeschickt. Wenn die neue Waffe nicht funktioniert hätte, hätten wir sie erwischt, Zhaspahr! So einfach ist das, und so dicht standen wir davor, das zu erreichen, was Sie ursprünglich vorgeschlagen haben!«
Kurz überlegte er, ob dieser Satz vielleicht doch zu dick aufgetragen gewesen war. Schließlich hatte er damit lediglich Clyntahns Ego schmeicheln wollen. Doch dann sah er, dass der Großinquisitor langsam und nachdenklich nickte. Clyntahn wirkte immer noch keinen Deut weniger zornig, aber wenigstens würde er jetzt nicht mehr in Raserei verfallen.
»Also gut«, sagte Clyntahn. »Trotzdem bleibt es dabei: Diese Ketzer und Abtrünnigen haben uns schon wieder eine Niederlage beigebracht! Dass wir hier von einer Katastrophe geradewegs in die nächste hineinstolpern, wird sich früher oder später auf das Vertrauen selbst der gottesfürchtigsten Menschen auswirken. Die Berichte meiner Inquisitoren lassen vermuten, dass genau dieser Prozess bereits begonnen hat.«
»Das ist ein Grund zur Sorge, ja«, meinte Zahmsyn Trynair, der bisher geschwiegen hatte. Duchairn musste sich sehr zusammenreißen, um den Kanzler nicht finster anzufunkeln. Aber immerhin: Er hatte sich entschieden, sein Schweigen doch noch zu brechen.
»Zu ernster Sorge«, bekräftigte Trynair. »Aber was meinen Sie mit ›Prozess‹, Zhaspahr?«
»Wir haben es nicht mit einem plötzlichen Auflodern von Ketzerei zu tun, falls es das ist, was Ihnen Sorgen bereitet«, erläuterte Clyntahn. »Abgesehen, natürlich«, er warf Duchairn und Trynair einen giftigen Blick zu, »von der steigenden Anzahl ›Reformisten‹, die in jüngster Zeit in der Siddarmark auftauchen. Was wir momentan erleben, kann man wohl am besten als Demoralisierung beschreiben. Die Leute sehen, dass die Ketzer, obwohl wir doch so sehr in der Überzahl sind, eine Schlacht nach der anderen gewinnen. So sehr wir uns auch bemühen mögen, irgendwann werden die Verluste und die Zahl der Gefangenen, mit der wir es nach diesem letzten Debakel zu tun haben, doch bekannt werden, Sie verstehen? Und wenn das geschieht, werden die Leute anfangen, das mit den Verlusten zu vergleichen, die wir dem Feind zugefügt haben, und damit, wie viele Gefangene wir gemacht haben. Und das sind verdammt wenig! Das wird, glauben Sie mir, die Mutlosen noch mutloser machen! Wahrscheinlich wird das sogar die allgemeine Unterstützung für den Heiligen Krieg zum Wanken bringen. Es wird ...«, kurz hielt er inne und blickte sich am Tisch um, »das Vertrauen darin unterminieren, in welche Richtung der Heilige Krieg geht.«
Duchairn sah Trynair und Maigwair erstarren. Es war unmöglich misszuverstehen, was Clyntahn damit meinte.
»Ich denke doch wohl kaum«, unterbrach der Schatzmeister schließlich die Stille, »dass jemand aus dem Vikariat in Frage stellt, wer das Ziel dieses Krieges ist.«
Schließlich , setzte er in Gedanken hinzu, hast du ja jeden abgeschlachtet, der genug Mut oder genug Verstand hatte, etwas darüber zu sagen, wie gründlich wir die ganze Sache verpatzt haben, nicht wahr, Zhaspahr?
»Ich rede nicht vom Vikariat.« Duchairn kam das Selbstvertrauen, das der Großinquisitor zur Schau stellte, sehr selbstgefällig vor. Clyntahn aber fuhr schon fort. »Ich mache mir Sorgen um die Leute, die eben nicht zum Vikariat gehören. Ich mache mir Sorgen um die ganzen Dreckskerle in der Siddarmark und in Silkiah, die im Augenblick jeden Tag aufs Neue fröhlich das Embargo unterlaufen. Ich mache mir Sorgen über das Ausmaß, in dem in letzter Zeit in der Siddarmark Propaganda dieser ›Reformisten‹ die Runde macht ... und laut meinen Inquisitoren ist es in anderen Reichen auch nicht viel besser. In Dohlar und in Desnairia zum Beispiel – sogar in den Tempel-Landen! Und ich mache mir Sorgen um Leute, die den Kopf hängen lassen, weil Mutter Kirche unwillig scheint, die Hand auszustrecken und die Gottlosen endlich zu zerschmettern!«
»Wir haben ja versucht, die Gottlosen zu zerschmettern«, gab Duchairn zu bedenken. Er tat ungerührt, aber ihm krampfte sich bei Clyntahns Worten der Magen zusammen. »Das Problem ist, dass es
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