Die Übermacht - 9
einlasse, sorge ich dafür, dass du nichts davon erfährst. So bleibst du glücklich, und ich kann mich auch weiterhin meiner Gesundheit erfreuen!«
»Du hast Recht, ›Hallodri‹ ist wirklich entschieden zu höflich für Sie, junger Mann!«
Vergeblich versuchte sie, sich ein Lächeln zu verkneifen. Byrk sah es und lachte.
»Genau deswegen hast du solche Angst vor im Ungestüm der Jugend begangenen Indiskretionen meinerseits«, stellte er fest. »Ein charmanter, gewissenloser Schurke und Taugenichts geht dabei sicher ungleich diskreter vor.«
»Das muss es sein!«, spielte sie Erkenntnis. »Aber gehst du wirklich heute Abend aus?« Fragend blickte er sie an, und sie zuckte mit den Schultern. »Dein Großvater und ich haben für heute eine Einladung ins Theater. Da wird eine neue Fassung von Yairdahns Das Blumenmädchen gegeben, und ich wollte dich fragen, ob du vielleicht mitkommen möchtest.«
»Das klingt verlockend«, sagte er. »Das hat mir von allen Stücken Yairdahns immer am besten gefallen. Aber ich werd’s trotzdem lassen, wenn das dir und Großvater recht ist. Ich glaube nicht, dass die Aufführung hier mit der Royal Company mithalten kann. Erinnerst du dich noch, wie wir das Stück das letzte Mal im Runden Saal gesehen haben? Ich bezweifle, dass sie es hier in Siddar so hinbekommen wie da!«
»Ja, vielleicht nicht.« Sahmantha zuckte die Achseln. »Das Stück ist schnell verpatzt, das gebe ich zu«, fuhr sie fort und ging bewusst nicht darauf ein, dass er den Runden Saal erwähnt hatte, den Mittelpunkt der darstellenden Künste in der Heimat Tellesberg. »Deinem Großvater und mir macht es überhaupt nichts aus, dass du für den Abend jüngere, lebhaftere Gesellschaft vorziehst! Hauptsache, du amüsierst dich!«
»Das bestimmt! Und ich versprech’s dir: keine Indiskretionen!«
Er blinzelte ihr zu, schloss den Gitarrenkoffer, gab seiner Großmutter noch einmal einen Kuss auf die Wange und ging dann fröhlich pfeifend ins Haus.
Lächelnd blickte sie ihm hinterher. Doch das Lächeln verschwand in dem Moment von ihrem Gesicht, wo sein Pfeifen verklungen war. Mit deutlich nachdenklicher Miene blickte sie auf die Bucht hinaus.
Trotz Aivah Pahrsahns unbestreitbarer Schönheit hatte sich Sahmantha Raimahn nie auch nur im Mindesten gesorgt, Byrk könne sich ernstlich in sie verlieben. Und selbst wenn, wäre auch das kein Grund zur Sorge gewesen. Madame Pahrsahn war ebenso kultiviert wie reizend. Wenn jemand wusste, wie man mit der Leidenschaft eines jungen Liebhabers umzugehen hatte, dann war das gewiss Madame Pahrsahn. Sie würde einen jungen Galan mit aller Liebenswürdigkeit zu behandeln wissen und ihn beizeiten auch wieder ziehen lassen, ohne dass er zu leiden hätte. Die Dame war zudem selbst wohlhabend. Sahmantha konnte sich daher sicher sein, sie habe es nicht möglicherweise auf das Familienvermögen der Raimahns abgesehen. Sahmantha hätte es sogar vorgezogen, wenn das Interesse ihres Enkels an dieser Frau deutlich ... romantischere Gründe gehabt hätte. Nur befürchtete sie, das Ganze hätte einen völlig anderen Hintergrund.
Byrks Großvater würde vermutlich die Pläne seines Enkels für den heutigen Abend nicht gutheißen. Es war Claitahn Raimahn wirklich nicht leicht gefallen, Tellesberg zu verlassen und seinen gesamten Haushalt – und sämtliche seiner geschäftlichen Investitionen – von Charis in die Republik Siddarmark zu verlegen. Claitahn war ein echter Charisianer durch und durch. Doch zugleich war er auch sehr auf seine Prinzipien bedacht – und er war ein treuer Sohn von Mutter Kirche. Als er zwischen der ketzerischen Krone und der orthodoxen Kirche wählen musste, hatten seine Prinzipien und sein Glaube ihn zu diesem Schritt getrieben.
Claitahn war einer der wichtigsten Händler von Charis gewesen. Er war sehr wohlhabend und hatte einen beachtlichen Teil seines Vermögens darauf verwendet, von Tellesberg in das Charisianische Viertel von Siddar-Stadt umzuziehen. Das verlieh ihm eine einzigartige Position in der Gemeinschaft der emigrierten Charisianer, und doch war er immer noch zwischen den beiden Welten gefangen. So entsetzt er darüber war, dass die Kirche von Charis offen mit dem Großvikar gebrochen hatte, war Claitahn doch Charisianer genug, um der Ansicht zu sein, das Königreich sei dazu provoziert worden. Seiner Meinung nach rechtfertigte eine Sünde keine andere. Doch er war auch nicht bereit, die ursprüngliche Reaktion von Charis auf diesen gänzlich
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