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Die Uhr der Skythen (German Edition)

Die Uhr der Skythen (German Edition)

Titel: Die Uhr der Skythen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Cordes
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nihil.«
    »Das heißt?«
    »Asche und Nichts.«
    Fokko fragt, mit Blick auf das ledergebundene Journal auf dem Schreibtisch: »Führen Sie Tagebuch?«
    »Ja. Seit jeher. Sehr intensiv und regelmäßig.«
    Hamelmann ist schon wieder auf den Beinen, blättert in seinen Aufzeichnungen, als hätte der Besuch ihn an eine dringende Verpflichtung erinnert, dann aber klappt er das Heft zu, als hätte er eben die Aussichtlosigkeit seiner Bemühungen erkannt.
    »Jetzt, am Ende meines Lebens«, sagt er müde und setzt sich wieder, »überkommen mich mächtige Zweifel. Ich habe mich nicht anders verhalten als ein Tourist, der seinen Urlaub lückenlos dokumentiert, anstatt ihn zu erleben. Habe mein Leben wenig gelebt, habe es vor allem aufgeschrieben.«
    »Dann ist das das Leben«, sagt Fokko, und er kommt sich seinem Lehrer unversehens als ebenbürtiger Gesprächspartner vor, erzählt von einem, den er einmal kannte und der die Angewohnheit besaß, in den Lücken, die die Zeit läßt, in den Tälern, die das Bewußtsein durchschreitet, Zahlen in einen Folianten zu schreiben, in ihrer reinen, natürlichen Folge ein Maßwerk des dahinfließenden Lebens, welches das Vergangene addiert und es vom Künftigen subtrahiert.
    »Bis die letzte Zahl notiert ist«, sagt Hamelmann nachdenklich. »Wahrscheinlich ist das, was der Kollege tut, weitaus vernünftiger als mein Versuch, das festhalten zu wollen, was unweigerlich den Strom hinabgetrieben wird.«
    »Gibt es jemanden, der es vielleicht einmal lesen würde?«
    »Niemand.«
    »Dennoch«, sagt Fokko und spürt, es ist mehr als ein schlichter Trost, »es ist gut. Wort für Wort.«
    »Gibt es diese Uhr, Steen?«
    »Ja. Aber ich will von ihr nichts mehr wissen.«
    »Wenn das ginge…«, sagt Hamelmann.
    »Was?«
    »Daß man von was nichts wissen wollen könnte.«
    »Ach ja«, lacht Fokko, »man kann ja bekanntlich nichts wirklich vergessen.«
    »Besuchen Sie mich bei Gelegenheit wieder, Steen«, sagt der Lehrer, erhebt sich, geleitet Fokko an die Tür und verabschiedet ihn mit einem fürstlichen Lächeln.
     
    Die Zeit fließt still und stetig dahin, so wie der Fluß ins Meer geht und Hinrich ihn zwei Dutzend mal an jedem dieser Tage kreuzt. Manchmal leistet Fokko ihm Gesellschaft für ein, zwei Passagen, packt mit an, hört von den spärlichen Neuigkeiten und freut sich in Petkum jedes Mal, wenn es zurückgeht.
    Fox fragt gelegentlich nach der Arbeit wie ein Vater, der sich um die Zukunft des Sohnes sorgt. Fokko versichert, daß er in Jemgum bei der Tankstelle angefragt hat und dort jetzt auf einer Liste verzeichnet ist, aber er macht kein Geheimnis daraus, daß er eigentlich das nicht wolle, daß es in Pogum viel zu tun gebe und er gut zurechtkomme. Bei einer dieser Reisen lädt er den Freund und seine Lehrerin zum Geburtstag ein, an einem Dienstag zu einer kleinen Feier, und als der Kapitän die Fähre in den Hafen bugsiert hat und beiläufig fragt, wer ansonsten eingeladen sei, etwa jemand aus der Gemeindeverwaltung, hat Fokko schon das Tau backbords über den Poller geworfen und festgezurrt, öffnet die Bugklappe und schüttelt stillschweigend den Kopf.
    »Immer noch am ersten Februar?« ruft Fox ihm hinterher.
    »Immer noch.«
    Er sitzt schon auf dem Fahrrad, gibt dem Freund mit dem Arm ein unbestimmtes Zeichen und ist mit wenigen kräftigen Tritten im Schatten des Deiches unter dem Wind unterwegs, mit einem Schlenker um das Schöpfwerk herum und rollt mit dem letzten Schwung in den Kirchring und bis an die Tür des Schuppens. Den Rest des Tages steht er auf der Leiter, schneidet das Efeu an der westlichen Giebelseite zurück, schärft auf der Tenne Werkzeug, heizt die Kochmaschine an und gerade, als er sich auf den Weg machen will, um bei Frau Freesemann ein paar Eier zu holen, geht das Telefon.
    Es ist das erste Mal, seit er hier wieder lebt. Es wird sich jemand mit der Nummer vertan haben, denkt er, als er in das Wohnzimmer eilt, das Klingelzeichen kommt ihm indiskret und bedrohlich vor, als dränge jemand grell und unverschämt in seine friedliche Klausur. Für einen Augenblick hält er inne, überlegt, ob er den Befehl einfach verweigern soll, der von dem lärmenden Apparat ausgeht, das Kabel aus der Wand reißen, das Problem für alle Zeit gelöst, da nimmt er den Hörer auf und an das Ohr.
    »Ja?«
    »Winterboer, Gemeinde Jemgum. Herr van Steen?«
    »Ja.«
    In einer Sekunde steht etwas leicht Entzündliches in seinem Bauch in Flammen, frißt alle Energie aus den restlichen

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