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Die Uhr der Skythen (German Edition)

Die Uhr der Skythen (German Edition)

Titel: Die Uhr der Skythen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Cordes
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nicht der literarische Sultan, der nach einer Lesung eine junge Bibliothekarin auf seinen Diwan bittet.
    »Es ist natürlich alles höherer Blödsinn, aber die Kammer ist für mich so etwas wie ein Heiligtum, und das Überkleben der Fotos ist mein Sakrament. Es hat auf jeden Fall etwas Rituelles. Und es funktioniert.«
    »Wie?«
    »Es spielt mit der Zeit. Wie deine Uhr.«
    Fokkos entrücktes Nicken ist wie das des Sisyphos, dem es wider alle Erwartung gelungen ist, den Felsen auf den Berg zu rollen.
    »Ich bin nicht sicher, ob das so ein Segen ist.«
    »Was?« fragt Schwammheimer.
    Die Frage dringt nicht zu ihm vor. Er hat einen Schluck Kaffee getrunken, legt sich eine Scheibe Brot auf den Teller und spielt unentschlossen mit dem Messer.
    »Bin bei Eva eingedrungen, Schwamm. Eigentlich ja nicht, ist ja meine Wohnung, aber ich brauchte ein paar Sachen und wollte nicht stören.«
    »Wann war das?«
    »Gestern, am Neujahrsmorgen. Gegen Mittag.«
    »Und, war was Besonderes?«
    »Ja, sie lag mit einem anderen Mann im Bett.«
    Schwammheimer hämmert mit einem Löffel auf seinem Ei herum und knibbelt nervös die Schale ab. Dann springt er unvermutet auf und rennt in die Küche. »Hab Salz vergessen.«
    »Und mir hat sie gestern gesagt«, ruft Fokko ihm hinterher, »es gäbe keinen anderen. Sie wolle jetzt für sich allein sein und so weiter…«
    »Mit wem denn?« fragt Schwammheimer aus der Küche.
    »Mit wem was?«
    »Mit wem war Eva im Bett?«
    Schwammheimer ist zurück, streut reichlich Salz auf sein Ei, dabei scheint ungewiß, ob er es so salzig mag oder ob er zittert.
    »Mit einem goldenen Siegelring, mehr habe ich nicht gesehen, ein goldener Ring an einer Männerhand, so wie deine«, sagt Fokko und zeigt auf Schwamms Hand, die das Salz noch hält und sachte schüttelt, als wolle er so was wie die Streufähigkeit prüfen. »Eine ältere.«
    »Was hast du gemacht?«
    »Ich habe sie ja unter dem Schutz der Uhr erwischt, quasi in flagranti. Sie wußten nichts von mir, aber ich alles von ihnen. Und ich hätte mir eine Woche Zeit lassen können, sie zu fotografieren oder anders in Verlegenheit zu stürzen.«
    »Und?«
    »Was?«
    »Was haben sie gemacht?«
    »Was man so macht, wenn man miteinander im Bett liegt.«
    »Schlafen…«
    Fokkos Lachen klingt bitter.
    »Ja, so nennt man es. Aber es ist ja eher das Gegenteil.«
    Schwammheimer nickt, nimmt ein halbes Ei auf den Löffel, schlingt es runter und verzieht das Gesicht. »Und du hast den Kerl nicht erkannt?«
    »Nein, nur den Siegelring. Kenne aber keinen, der so ein Ding trägt. Will obendrein nicht wissen, wer es war.«
    »Obendrein«, spricht der Dichter versonnen und vertilgt in sichtlicher Selbstüberwindung den zweiten Teil des Frühstückseies. »Ein schönes Wort.«
    »Schwamm«, sagt Fokko kleinmütig, »ich glaube, es ist aus.«
    »Hört sich so an«, sagt Schwammheimer, stößt den Löffel angewidert in den Becher, daß die Eierschale kracht. Der Blick indes, den er Fokko dann schenkt, besitzt einen beinahe euphorischen Glanz, seine Stimme ist unversehens federleicht und hell, und die Figuren, mit denen die Finger seine Worte unterstreichen, sind die aus seinem öffentlichen Leben im Crocodile . »Da ist niemals nur eine einzige Frau in einem Leben, mag dein Auge noch so getrübt, dein Herz zerrissen, dein Verstand kataplektisch sein. Ich fühle den Schmerz, mein Freund, die Verachtung, die Enttäuschung, aber dein leibhaftiger Schatz ist jetzt die Uhr, und wenn du es willst, wird sie dir jede Frau der Welt zufallen lassen, jede…«
    »Zufallen lassen…«, sinnierte Fokko mit einem ironischen Lächeln, »ein merkwürdiger Begriff. Und was ist kataplektisch?«
    Schwammheimer greift nach der Kaffeetasse als wäre es das Fremdwörterlexikon, nimmt einen Schluck, setzt die Tasse zurück, hält mit großen Augen inne und starrt Fokko an.
    »Was ist?«
    »Schrecklähmung!«
    »Was?«
    »Vor Schreck erstarrt. Das ist Kataplexie. Wie die Zauberuhr sie auslöst…«
    Fokkos Lächeln rinnt ihm davon wie der Honig, der von der Messerspitze auf die Scheibe Brot fließt, die er sich macht. Auf dem Schreibtisch klingelt das Telefon. Schwammheimer eilt hinzu, meldet sich mit seinem vollständigen Namen, hört eine Weile aufmerksam zu, dann beginnt er mit flüsternder, eindringlicher Stimme eine Sache zu erklären.
    Schrecklähmung. So ist er sich vorgekommen, als Eva mit scharfen Waffen vor ihm stand und ihm mit dem Kopfhörer sein famoses Leben abzog wie einem zur Strecke

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