Die Un-Heilige Schrift
Persönlichkeiten finden ließ.
Im 2. und 3. Jh. existierten etliche „Gnostiker“, was nichts anderes bezeichnete als Intellektuelle. Gnosis heißt übersetzt Erkenntnis oder Wissen. Der gemeinsame Nenner der unterschiedlichen gnostischen Bewegungen (Valentinianer, Simonianer, Basilidianer …) bestand in der Überzeugung, durch Erkenntnis zum Heil zu gelangen.
Gnostische Elemente finden sich weit gestreut: Die Schriften von Qumran und Nag Hammadi machen deutlich, dass innerhalb des Judentums bzw. frühen Christentums gnostische Lehren aller Schattierungen vorhanden waren und gepflegt wurden. In die gnostischen Systeme flossen Elemente des Zoroastrismus ein (die Grundannahme eines göttlichen Gut-Böse-Dualismus), Erkenntnisse ägyptischer, babylonischer und persischer Weisheitslehren sowie griechischer Mysterienschulen. Wen dies jetzt an die Esoterik-Welle unserer Tage erinnert, der liegt ganz richtig: Einen Teil der gnostischen Erkenntnisse für sich zu behalten bzw. nur einem ausgewählten Zirkel von „Jüngern“ mitzuteilen, war in den meisten gnostischen Bewegungen üblich. Im Übrigen lassen sich gnostische Spuren von der Alchemie über die Katharer, den Mormonismus und die Anthroposophie bis zur Philosophie von Carl Gustav Jung und dem modernen Science-Fiction-Film „Matrix“ in ungebrochener Abfolge durch die Jahrhunderte nachweisen.
Gnostik war die Esoterikbewegung der Antike.
Das Endziel jedes guten Gnostikers bestand in der Überwindung der Materie (also des Körpers), um in den ursprünglichsten, rein geistigen Schöpfungszustand zurückzukehren. Dazu musste man sich auf die Suche nach dem göttlichen Funken machen, der in jedem Einzelnen schlummert, um diesen Schritt für Schritt von seinen hinderlichen Hüllen – der fleischlichen sowie der seelischen – zu befreien. Mit diesem Befreiungsprozess gingen Einweihungen bei Erlangen der nächsthöheren Stufe einher, die zugleich den Zugang zu esoterischem (also einer definierten Gruppe vorbehaltenem) Wissen gestattete.
Ohne Selbsterkenntnis konnte es keine Erlösung geben.
Der englische Maler und Dichter William Blake gilt als einer der wichtigsten Vertreter der Gnostik in neuerer Zeit. Sein "Ancient of Days" zeigt den Demiurgen (Schöpfergott), der den reinen, unfehlbaren göttlichen Geist in fehlerhafte, sündhafte Materie umsetzte.
Die gnostische Ablehnung des Materiellen ging so weit, dass die leibliche Existenz Jesu vielfach in Abrede gestellt wurde. Jesus habe lediglich über einen Scheinleib verfügt und habe auch nicht am Kreuz gelitten bzw. nur scheinbar gelitten, Jesus sei nur ein menschliches Gefäß für den göttlichen Christus gewesen. Diese Doketismus genannte Strömung wurde lange Zeit als ident mit der Gnosis gesehen, was nicht zutrifft. Doketismus ist aber ein wesentliches Element der Mehrzahl der gnostischen Lehren.
Sollte Jesus freilich nicht als Mensch gelitten haben, erschütterte dies das Fundament der christlichen Weltanschauung in ihren Grundfesten.
Der kappadokische Bischof Gregor von Nazianz formulierte Ende des 4. Jahrhunderts die Position, nach der Jesus sowohl göttlich als auch vollständig menschlich gewesen sei und als Mensch gelitten habe, da andernfalls eine Erlösung für den Menschen nicht möglich sei. Die Ablehnung der gnostischen Position war ein logischer Schritt, eine Unvermeidlichkeit angesichts der unabsehbaren Konsequenzen, sollte in diesem Punkt nicht klar Stellung bezogen werden.
William Blakes demiurgische Schöpfergestalt "Urizen" hier in Kontemplation über seine Schöpfung versunken. (Book of Los, 1795)
Noch leichter nachvollziehbar ist die Ablehnung des göttlichen Dualismus, der in den meisten gnostischen Bewegungen die Erschaffung der Welt erklärte: Es habe einen guten und einen bösen Gott gegeben (Licht und Finsternis), die offensichtliche und unleugbare Schlechtigkeit alles Materiellen inklusive des Körpers lasse nur darauf schließen, dass der böse Gott für die Schöpfung, in der der Mensch sich befindet, verantwortlich sei.
Die aus christlicher Sicht fatale Schlussfolgerung daraus war zumeist dieselbe wie im Marcionismus: Niemand anderer als der im Alten Testament beschriebene Schöpfergott sei in Wahrheit dieser böse Gott, der Demiurg oder Archont. Das gesamte Alte Testament sei deshalb abzulehnen; ausschließlich das Auftreten Jesu als Repräsentation des Lichtgottes sei von Interesse.
Das nun war freilich ein weitaus zu radikaler Standpunkt, denn die orthodoxe Kirche
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