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Die Un-Heilige Schrift

Die Un-Heilige Schrift

Titel: Die Un-Heilige Schrift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmuth Santler
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ansässige Turkvolk beherrschte damals ein völlig vergessenes Riesenreich, das sich über die gesamte heutige Mongolei und weiter in den Westen bis zum Aralsee erstreckte, im Süden Tibet einschloss und im Osten bis fast nach Peking reichte.

    Manichäische Miniaturmalerei, Kocho, Zentralasien. Vorne die hinduistischen Gottheiten Ganesha, Vishnu, Brahma und Shiva. Dahinter ein hoher manichäischer Geistlicher. Vielleicht eine Darstellung des Jenseitsgerichts. Museum für indische Kunst, Berlin.
    Die Gründe für die Anziehungskraft des Manichäismus können aus heutiger Perspektive nicht mehr restlos geklärt werden; sicher hat die Einheitlichkeit in Lehre und Auftreten dazu beigetragen, begleitet von einer großen Anpassungsfähigkeit ihrer Schrift – anders als bei den Christen musste man für das Studium der heiligen Texte nicht Lateinisch oder Griechisch können. Manis Worte wurden erfolgreich in andere Sprachen und Kulturen transferiert, vom westeuropäischen Christentum bis zum fernöstlichen Buddhismus.
    Nach der Vertreibung des Manichäismus aus den christlichen Kernlanden, die im Laufe des 5. Jahrhunderts abgeschlossen werden konnte, wurde der Begriff zur abwertenden Bezeichnung umgedeutet: Als ketzerisch eingestufte Gruppen mussten sich „Manichäer“ schimpfen lassen. Meist hatten die Vorstellungen dieser „Manichäer“ wenig bis gar nichts mit Manis Lehre zu tun; darum ging es auch nicht. Es bezeichnete einfach Streiter für einen aus der Sicht der „rechtgläubigen“ Kirche häretischen Standpunkt. Auch Luther wurde als „Manichäist“ verunglimpft.
Aus der Religionsbezeichnung wurde ein Schimpfwort.
    Bevor jedoch die Manichäer vertrieben werden konnten und eine ganze Religion zum Schimpfwort verkam, musste die Christenheit erst selbst zu einer institutionalisierten Einheit – einer Kirche – finden, deren äußeres verbindliches Zeichen eine einheitliche Schrift sein würde. Dafür galt es, den schwersten inneren Konflikt in der gesamten christlichen Geschichte zu überstehen, den

Streit um Jesu Göttlichkeit
    Mehr und mehr schälte sich im Verlauf des 2. und 3. Jahrhunderts ein Kanon heraus – möglichst apostolische, nichtgnostische Schriften wurden bevorzugt, die Frauen in die zweite Reihe stellten. Das Judentum, aus dem heraus das Christentum sich entwickelt hatte, durfte weder vor den Kopf gestoßen noch kritiklos akzeptiert werden. Die „Frohe Botschaft“ sollte unters Volk gebracht, aber die Freude nicht übertrieben werden – asketische, mönchische, zölibatäre Bewegungen waren, aus uralten Glaubensvorstellungen stammend, in der damaligen Zeit zu erfolgreich, um schlichtweg ignoriert zu werden. Zudem hätte dies auch keineswegs der allgemein leibfeindlichen und im speziellen lust- und frauenfeindlichen Grundstimmung entsprochen, die unter den Kirchenvätern (Kirchenmütter gab es nicht) herrschte.

    Die Heiligen Markus und Paulus (rechts) aus Albrecht Dürers Gemälde "Die vier Apostel", 1526. Alte Pinakothek, München.
    Jesus hatte zwar einen gänzlich anderen, gleichberechtigten Umgang mit Frauen gepflegt (siehe vor allem das Kapitel: Eine ganz besondere Frau), der erste und letztlich wichtigste PR-Sprecher und Lobbyist der noch jungen Gruppe, Saulus Paulus, sparte in seinen Schriften jedoch nicht mit abfälligen Bemerkungen über die Frauen: Der Mann sei das Haupt der Frau (1 Kor 11,3) bzw. die Frau der „Abglanz“ des Mannes (1 Kor 11,7). (Entgegen der geläufigen Redewendung trug Paulus von Tarsus von Anfang an einen Doppelnamen, Saulus [latinisiert vom jüdischen Saul] und Paulus [vom griech. Paulos, der Kleine]; sein Gesinnungswandel vom strenggläubigen, torafesten Juden zum übereifrigen, missionarischen Christen hatte mit seinem Namenswechsel, wie er selbst betonte, nichts zu tun.) Auch Simon Petrus, der „Fels“, auf dem die christliche Kirche der Überlieferung nach gegründet wurde, hatte sich mehrfach als eifersüchtiger, frauenverachtender Neider Maria Magdalenas offenbart.
Simon Petrus und Paulus waren Frauenverächter.
    Wie auch immer: Die neue große Kirche hatte ihre rebellischen Anfangsjahre hinter sich gebracht, in der der Beitritt zur christlichen Gemeinde dem Anschluss an eine terroristische Widerstandsgruppe gleichkam. (Ob eine oppositionelle Gruppierung als Freiheitskämpfer für eine gerechte Sache, Terroristen oder heroische Stifter betrachtet wird, entscheidet allein die Geschichte bzw. der Blickwinkel; aus Sicht der römischen

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