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Die Unbefleckte Empfängnis (German Edition)

Die Unbefleckte Empfängnis (German Edition)

Titel: Die Unbefleckte Empfängnis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gaétan Soucy
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dass er ihm ins Gesicht schauen musste:
    »He! Siehst du? Ich bin es! Ich, Remouald!«
    Séraphon starrte verblüfft, dann brach er in Schluchzen aus.
    »Ach, mein kleiner Remouald, mein Sohn! Endlich bist du da! Sie wollten mich umbringen! Sie wollten mich umbringen! Wo bist du nur gewesen? Oh ja, das hätte dir gefallen, was!«
    Und er jammerte weiter vor sich hin: »Hnnnn … Hnnn …«
    Remouald hob zaghaft die Hand, um dem Feuerwehrmann zu bedeuten, es werde schon gehen, alles sei wieder in Ordnung, woraufhin der Mann wütend auf die Pferde eindrosch und fluchend wie ein Bierkutscher verschwand.
    Wieder zu Hause angekommen, wurde Séraphon ungeachtet seines Protestes vors Fenster gesetzt. Unter den Straßenleuchten des Bahnhofs spielte eine Gruppe Jungen Hockey. Vor dem Gebäude der Ace Box beluden Arbeiter einen Lastwagen.
    Remouald war ans andere Ende der Wohnung zum Küchentresen gegangen. Seine flachsblonden Haare hingen ihm schweißverklebt in der Stirn. Er zog ein Stück Holz aus der Innentasche seines Mantels und legte es auf den Tisch. Vor Angst zog sich ihm der Magen zusammen. Ihm war, als hätte er gerade ein großes Glas eiskalten Essigs getrunken. Er war wie geblendet vom Bild der Gestalten und von dem, was sie hinter der Mauer getrieben hatten. Er blickte hinauf in einen Winkel des Zimmers, und noch immer schienen die Gestalten wie schwarze Punkte vor seinen Augen zu tanzen. Er holte den Caribou aus der Anrichte und trank gierig davon.
    »Da kommt die Feuerwehr!«, platzte es fast triumphierend aus Séraphon heraus.
    Remouald eilte ans Fenster. Ein Vierspänner stand vor ihrer Tür. Ein halbes Dutzend Feuerwehrleute stieg aus und stellte sich entlang der Fahrbahn in einer Reihe auf. Der Hauptmann kam und klingelte.
    »Was wollen die Armleuchter von uns?«, zischte Séraphon.
    Remouald ging rasch in die Küche, um den Caribou in die Anrichte zurückzustellen. Das Holz lag furchteinflößend und beruhigend zugleich auf dem Tisch – mein Gott, wohin damit? Der Hauptmann klingelte ein zweites Mal. Remouald rannte zur Kommode und verstaute sein Fundstück hastig in der mittleren Schublade unter einem Stapel Hemden. Dann ging er zur Tür und öffnete.
    Mit lautem Stiefelklappern stieg der Hauptmann die Treppe herauf. Er setzte sich an den Küchentisch, nahm dieSchirmmütze ab und zündete sich eine Zigarre an. Remouald merkte schüchtern an, dass sie keinen Aschenbecher hatten.
    Der Hauptmann zuckte, wie um zu sagen: »Wenn’s nur das ist«. Er langte in die Tasche seiner Uniform und holte einen Aschenbecher hervor. Remouald verschluckte sich: Es war der von vorhin. An ihm klebte noch Schlamm.
    »Ist Ihnen der Anblick von Aschenbechern unangenehm?«
    Schnell schüttelte Remouald den Kopf. Er knetete seine Hände und fragte:
    »Möchten Sie etwas trinken? Einen Tee vielleicht …? Oder wollen Sie einen Streifen Speck? Wir haben gerade welchen da. Haben Sie Hunger?«
    »Etwas Speck würde mir gefallen, wenn ich es recht bedenke«, entgegnete der Feuerwehrhauptmann eine Spur mondän. »Und was den Tee angeht, wenn Sie einen schönen schwarzen haben, sage ich auch nicht nein.«
    Remouald selbst aß zwar nie Fleisch, doch Séraphon lutschte nach dem Essen gern einmal an einer Speckschwarte, weshalb sie immer ein Stück im Schrank hatten. Remouald schnitt sie ihm nach einem festen Ritual in kleine Streifen, die er ihm auf Verlangen reichte. Séraphon lutschte lange genüsslich daran, dann spuckte er sie wieder aus. Wie abgefallene Blütenblätter lagen sie zäh und verschrumpelt um sein Bett verteilt. Bei Remouald war es so: An einem Tag aß er, am nächsten nicht. Eine rundum ausgewogene Diät.
    Remouald fand, dass der Vorschlag etwas unbedacht gewesen war, da der Speck gleich neben dem Caribou lag. Vielleicht kränkte es den Hauptmann, dass ihm nicht auch ein Glas Alkohol angeboten wurde. Remouald tat, als ob nichts wäre, aber seine Hände zitterten.
    Der Hauptmann interessierte sich allerdings nur für einen Wandschrank, der mit einem Vorhängeschloss gesichert war. Er hielt sich für scharfsinnig und zwinkerte vieldeutig:
    »Der Familienschatz?«
    »Was …? Ach, das! Nein, nein. Ich weiß eigentlich gar nichts über den Schrank. Nur mein Papa weiß, wo der Schlüssel ist, und er hat mir nie gesagt, was in dem Schrank drin ist.«
    Remouald, den dieser Schrank nie interessiert hatte, sagte die Wahrheit, aber der Hauptmann schien ihm, wie er bemerkte, nicht zu glauben. Leicht angewidert machte Remouald

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