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Die Unbefleckte Empfängnis (German Edition)

Die Unbefleckte Empfängnis (German Edition)

Titel: Die Unbefleckte Empfängnis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gaétan Soucy
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Als ich einmal mit meinem Bruder darüber diskutierte, ob wir unseren Hund töten lassen sollten, spitzte Napoleon beunruhigt die Ohren, kam zitternd und schwanzwedelnd zu uns herüber und schob die Schnauze unter unsere Hände … Tatsächlich erinnerte mich der Beschuldigte sehr an ihn. Und als der Staatsanwalt hemdsärmelig nach dem Schafott rief und vor Empörung fast erstickte, da pisste sich der Brandstifter ein zweites Mal in die Hose .
    Was das Motiv angeht: mein Gott! Es war so klar, so dumm, dazu so einfältig vom Angeklagten vorgetragen, dass der Spielraum für die Verteidigung äußerst beschränkt war und der junge diensthabende Anwalt, der sich schweißgebadet alle Augenblicke räusperte, während seines Plädoyers nur zwei, drei Torheiten von sich geben konnte, die ich dir ersparen will. Nun aber zumindest die Fakten. Der Beschuldigte, der die Hoffnung aufgegeben hatte, eine Frau bei sich im Dorf zu finden, wo er seit zartester Kindheit nur verlacht wurde, war zum ersten Mal in seinem Leben in die Stadt gefahren. Er wurde nicht enttäuscht: Gleich am ersten Tag hängte sich ihm so ein Ding an den Hals. Hotelzimmer, Restaurants, Theater, Nachtclubs, das Mädchen versagte sich nichts. Sie verlebten herrschaftliche Tage, bis sie im Grill aux Alouettes auf ein paar Bekannte seiner Eroberung stießen, die es sich auf Kosten des Geprellten gutgehen ließen, woraufhin dieser feststellen musste, dass seine Ersparnisse aus drei Jahren innerhalb von drei Nächten verprasst waren. Also hieß es zurück ins Dorf! Sie weigerte sich. Er bestand darauf – sie ohrfeigte ihn. Er schlug sie, wie er ausführte, »auf ihren großen roten Mund«. Die Fäuste flogen und trafen aufs Geratewohl alles, was sich bewegte. Er wurde kopfüber die Treppe hinuntergeworfen .
    Eine Weile irrte er durch die Straßen. Bei einem Ölhändler ließ er als Pfand die Uhr zurück, die er von seinem Großonkel geerbt hatte, ein Sachverhalt, der ihm offenbar am Herzen lag, da er ihn dem Richter gegenüber mindestens fünf Mal erwähnte. Zurück im Grill aux Alouettes , goss er die Kanister auf den beiden Treppen des Ausgangs aus und warf ein Streichholz darauf. »Ein brennendes?«, vergewisserte sich der Richter. Der war gut, fand der Brandstifter, richtig gut; und klopfte sich auf die Schenkel. Von den Gästen im Grill hatte kein einziger überlebt .
    Den Abend des Brandes, Rogatien, werde ich so schnell nicht vergessen . Es war etwa neun Uhr, ich hatte mich schlafen gelegt, um Kraft für die anstehende Nacht zu schöpfen, die ich mir vorgenommen hatte zu arbeiten. Einer meiner Männer weckte mich. Noch bevor ich mir die Hose übergezogen hatte, schilderte er mir die Lage. Ich schickte drei meiner Mitarbeiter an den Ort des Geschehens, um möglichst rasch Kontakt zu den Familien der Opfer aufzunehmen, falls es welche gäbe. Dann ging ich selbst hinüber. Die gesamte Gemeinde war auf den Beinen. Zu dem Zeitpunkt glaubten wir noch, die Zahl der Leichen würde zwanzig nicht übersteigen. Was genügte, dass mich das Nesselfieber packte. »Der Lauf der Dinge auf dieser Welt führt selten zum Schlimmsten«, beklagte ich mich bei dir in meinem letzten Brief. Tja, manchmal passiert’s eben doch. Am Ende des Abends, als die Zählung abgeschlossen war, standen unterm Strich fünfundsiebzig Tote!
    Ich war die ganze Nacht zu nichts zu gebrauchen, nicht einmal zum Schlafen, ich war im Fieber. Natürlich wusste ich, dass unsere Chancen zum Besten standen, dass alles auf uns deutete. Zuerst einmal hatte sich der Brand in unserem Bezirk ereignet; dann waren wir, ganz abgesehen von unserer Fachkompetenz, der uns eigenen exquisiten Note, die Einzigen, die über den nötigen Platz verfügten . Und war nicht letzten Endes ich derjenige gewesen, der den Verbrecher den Behörden übergeben hatte? Soucy bestätigte mich unablässig in meinem Glauben. Aber mir war nach wie vor bang. In letzter Minute konnten Hindernisse auftreten, die Konkurrenz konnte uns den Rang ablaufen, an Feinden hat es nie gemangelt. Ich lief in meinem Büro auf und ab, ich war begeistert, entgeistert, aufgedreht wie in den allerersten Momenten des Verliebtseins .
    Gegen Morgen schließlich wurde ich von meiner Angst erlöst . Einer meiner Männer rief mich an. »Wir haben gewonnen! Wir bekommen den Höchstanteil …!« Ich brach in Tränen aus .
    Bevor die Leichname geliefert werden konnten, mussten die Familienangehörigen sie einen nach dem anderen identifizieren. Wir erwarteten dreißig.

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