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Die undankbare Fremde

Die undankbare Fremde

Titel: Die undankbare Fremde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irena Brezna
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verhöhnen.
    Jedes Jahr wurde am Flussufer eine Tribüne aufgebaut. Lokale Komiker traten mit alten Witzen auf, holten sich Preise.
    »Wo sind die Frauen in diesem Land«, empörte ich mich.
    Mara forderte mich auf:
    »Du bist doch eine.«
    Ich kletterte auf die Tribüne, rezitierte verzweifelt ein revolutionäres Gedicht, und über den Fluss hallte eine hier nie zuvor gehörte Sprache. Das Publikum vergaß zu lachen, es war still geworden, bevor der Beifall kam. Ich erhielt den zweiten Preis. So gelang es mir, öffentliche Anerkennung zu bekommen – als Komikerin. Die Zeit reifte für die Fremden, die Animationsrolle zu übernehmen. Besonderheiten waren auf einmal willkommen, die Regeln durften gesprengt werden – aber, bitte, auf der Bühne. Nicht mehr nur Presslufthammerhalter, Raumund Altenpflegerinnen, der revolutionäre Auftritt am Flussufer läutete die neue Ära der Clowns ein.
    Die Fremden kreisten am abgekühlten Rand, koppelten sich leicht wieder ab, schwebten eine Weile, strebten zu anderen Rändern hin und verließen auch diese. Sie konnten nicht in die geschützte Mitte vordringen, und wer würde es schon wollen, für den hohen Preis? Doch, es gab solche Hasardeure. Sie suchten sich Bräuche aus der hiesigen Folklore aus, erklärten diese für bedroht und wurden zu deren eifrigen Verteidigern. Die Hymne würde das Land einigen, vor jeder öffentlichen Veranstaltung und morgens vor der Blinden Kuh in der Kinderkrippe müsse sie erklingen. Sie ermahnten die Einheimischen, an ihren Sturheiten festzuhalten: »Wir wissen eure Demokratie besser zu schätzen als ihr, denn wir kennen die Diktatur. Verspielt dieses höchste Gut nicht. Werft böse Ausländer aus dem Land, behaltet nur uns, die guten Fremden«, redeten sie an Versammlungen, versuchten sich in Dialekt und zogen sich die neue Tracht über. Der Clownrolle entkamen sie nicht, sie fielen kopfüber in sie hinein.
    Im Wartezimmer der Inneren Medizin sitzt eine Frau mit dem Herzen auf der Zunge. Fleischige Herzensangele genheiten sind das. Monat für Monat schlachtet sie in ihrem Dorf eine Sau, friert sie ein und fährt damit einen Tag und eine Nacht bis hierher. Dann verzehrt sie die Sau mit ihrem neuen Ehemann. Dabei wird sie weder Haus noch Boden erben, seine Kinder und Enkel warten darauf, aber etwas wird für sie schon herausspringen, vertraut sie mir an. Nein, mit dem Alten brauche sie keine Sprache, sie pflege ihn bloß und mache den Haushalt. Über das Leben in der Fremde hat sie nichts weiter zu berichten. Die zurückgelassene Familie dagegen gibt Stoff für aufregende Boulevardnachrichten. Ihre Sprache ist wie die Sau, mit Fett durchzogen.
    Der Sohn, dieser Nichtsnutz, entdeckte seinen arbeitslosen Vater, diesen Sauhund, mittags im Bett mit einer Dahergelaufenen, darauf verprügelte der Vater im Vollrausch die Tochter, diese Schlampe, die von einem Vorbestraften, diesem Schwanz, schwanger geworden ist, sodass jetzt schnell geheiratet werden muss. Das alles kostet Geld, das natürlich Mama, dieser Esel, beisteuert. Mama ist bei ihrer Wolfsbrut nur als Dukatenscheißer willkommen. Vollgepackt steigt sie hier in den Bus.
    »So ist das«, seufzt sie.
    Aber sie sei nicht blöd, sie salze ihre Geschenke reichlich mit Schimpftiraden ein. Der Ex-Mann fürchte sich vor ihr, sie könne nämlich durchaus tätlich werden, brüstet sie sich. Den Pfarrer muss man wiederum gesittet belohnen, die Taufe steht an. Sie hat auch eine politische Meinung:
    »Die Politiker, diese Arschlöcher, haben unser Land in den Ruin getrieben.«
    Als Bäckergehilfin hat sie in ihrem Dorf geschuftet, in der Dunkelheit musste sie aufstehen, bekam eine Mehlallergie, nieste auf die verdammten Bäckerwaren.
    Der Rat einer Freundin brachte die Wende:
    »Geh wie ich ins Ausland als Altenpflegerin.«
    Also Sex habe sie in der Fremde nicht mehr. Als sie der Freundin sagte, sie wisse nicht mehr, wie der männliche Apparat aussehe, habe diese sie zur Besichtigung eingeladen:
    »Komm zu uns ins Pflegeheim, hier kannst du ihn gefahrlos anschauen.«
    Die Leiterin des Dolmetscherdienstes hat Richtlinien zur Nähe herausgegeben. Die Nähe vertrage sich nicht mit unserem Beruf, die Neutralität stünde auf dem Spiel. Weder dürfen wir die Klienten kennen noch im Wartezimmer mit ihnen ins Gespräch kommen. Ich halte mich nicht daran, doch eine Kollegin setzt seitdem eine starre Miene auf, um ihre Landsleute davon abzuhalten, sie nach der Zahl ihrer Kinder zu fragen. Sie leidet darunter, fühlt

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