Die unendliche Geschichte
die Gefangenen gutwillig freizulassen. Unter dieser Bedingung soll sie ihr schmähliches Leben behalten!«
Bastian konnte gerade noch aus dem Dickicht um eine Ecke des Schlosses spähen. Atréju hatte sich den Silbermantel übergezogen und seine blauschwarzen Haare wie zu einem Turban aufgedreht. Für jemanden, der sie beide nicht gut kannte, mochte tatsächlich eine gewisse Ähnlichkeit zwischen ihnen bestehen.
Die schwarzen Panzerriesen schienen einen Augenblick lang unschlüssig. Aber nur einen Augenblick lang. Dann stürzten sie auf Atréju zu, man hörte ihre Schritte metallen stampfen. Auch die Schatten an den Fenstern kamen nun in Bewegung, sie verließen ihre Posten, um zu sehen, was es gab. Andere drängten in großer Menge aus der Eingangspforte. Als die ersten Atréju fast erreicht hatten, entwischte er ihnen wie ein Wiesel, und im nächsten Augenblick tauchte er, auf Fuchur sitzend, über ihren Köpfen auf. Die Panzerriesen fuchtelten mit ihren Schwertern in der Luft herum und sprangen hoch, doch konnten sie ihn nicht erreichen.Bastian huschte blitzgeschwind zum Schloß und begann an der Fassade hinaufzuklettern. Stellenweise halfen ihm die Fenstersimse und Mauervorsprünge, aber häufiger noch konnte er sich nur mit den Fingerspitzen festhalten. Er kletterte höher und immer höher, einmal bröckelte ein Stückchen Mauer ab, auf dem sein Fuß Halt gefunden hatte, und sekundenlang hing er nur noch an einer Hand, doch er zog sich hinauf, konnte einen Griff für die andere Hand finden und klomm weiter. Als er schließlich die Türme erreichte, kam er schneller voran, denn der Abstand zwischen ihnen war so gering, daß er sich zwischen sie stemmen und so in die Höhe schieben konnte.
Schließlich hatte er die Dachluke erreicht und schlüpfte hinein. Tatsächlich war in diesem Turmzimmer keiner der Wächter, wer weiß warum? Er öffnete die Tür und sah eine eng gewundene Wendeltreppe vor sich. Geräuschlos machte er sich an den Abstieg. Als er ein Stockwerk tiefer kam, sah er zwei schwarze Wächter an einem Fenster stehen und schweigend beobachten, was dort unten geschah. Es gelang ihm, hinter ihnen vorbeizuhuschen, ohne daß sie etwas merkten.
Über andere Treppen, durch Gänge und Korridore, schlich er weiter. Eines war sicher, diese Panzerriesen mochten im Kampf unüberwindlich sein, als Wächter taugten sie nicht viel. Endlich erreichte er das Kellergeschoß. Er spürte es sofort an dem dumpfen modrigen Geruch und der Kälte, die ihm entgegenschlug. Glücklicherweise waren hier die Wächter offenbar alle nach oben gelaufen, um den vermeintlichen Bastian Balthasar Bux zu fangen. Jedenfalls war keiner von ihnen zu sehen. Fackeln steckten in den Wänden und erleuchteten ihm den Weg. Tiefer und tiefer ging es hinunter. Es schien Bastian, als ob es ebenso viele Stockwerke unter der Erde gäbe wie über ihr. Schließlich hatte er das tiefste erreicht, und nun sah er auch schon den Kerker, in dem Hýkrion, Hýsbald und Hýdorn schmachteten. Und der Anblick war jammervoll.
Sie hingen, an ihren Handgelenken aufgehängt, an langen, eisernen Ketten in der Luft über einer Grube, die ein schwarzes, bodenloses Loch zu sein schien. Die Ketten liefen über Rollen an der Kerkerdecke zu einer Winde, doch diese war durch ein großes stählernes Vorhängeschloß abgesperrt und ließ sich nicht bewegen. Bastian stand ratlos. Die drei Gefangenen hatten die Augen geschlossen, als wären sie ohnmächtig, aber nun öffnete Hýdorn, der Zähe, sein linkes, dann murmelte er mit trockenen Lippen:
»He, Freunde, seht mal, wer da gekommen ist!«
Die anderen beiden schlugen nun ebenfalls mühsam die Lider auf, und als sie Bastian sahen, huschte ein Lächeln um ihre Lippen.
»Wir wußten, daß Ihr uns nicht im Stich laßt, Herr«, krächzte Hýkrion.
»Wie kann ich Euch da runterholen?« fragte Bastian, »die Winde ist abgeschlossen.« »Nehmt doch Euer Schwert«, brachte Hýsbald heraus, »und haut einfach die Ketten durch.« »Damit wir in den Abgrund stürzen?« fragte Hýkrion, »das ist kein besonders guter Plan.« »Ich kann es auch nicht ziehen«, sagte Bastian, »Sikanda muß mir von selbst in die Hand springen.«
»Hm«, knurrte Hýdorn, »das ist das dumme an Zauberschwertern. Wenn man sie braucht, sind sie eigensinnig.«
»He!« raunte Hýsbald plötzlich, »es gab doch einen Schlüssel für die Winde. Wo haben sie ihn bloß hingesteckt?«
»Da war irgendwo eine lose Steinplatte«, meinte Hýkrion. »Ich konnte
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