Die unendliche Geschichte
zu.
»Wer seid ihr, und wen sucht ihr?«
»Uns schickt Uschtu, die Mutter der Ahnung«, antwortete eine der sechs Eulen, »wir sind Flugboten vom Sternenkloster Gigam.«
»Was ist das für ein Kloster?« fragte Bastian.
»Es ist der Ort der Weisheit«, antwortete eine andere Eule, »wo die Mönche der Erkenntnis wohnen.«
»Und wer ist Uschtu?« forschte Bastian weiter.
»Eine der drei Tief Sinnenden, die das Kloster leiten und die Mönche der Erkenntnis lehren«, erklärte eine dritte Eule. »Wir sind die Boten der Nacht und gehören zu ihr.« »Wäre es Tag«, setzte eine vierte Eule hinzu, »so hätte Schirkrie, der Vater der Schau, seine Boten gesandt, die Adler sind. Und in der Stunde der Dämmerung zwischen Tag und Nacht schickt Jisipu, der Sohn der Klugheit, die seinen, und es sind Füchse.«
»Wer sind Schirkrie und Jisipu?«
»Die anderen zwei Tief Sinnenden, unsere Oberen.«
»Und was sucht ihr hier?«
»Wir suchen den Großen Wissenden«, sagte die sechste Eule. »Die drei Tief Sinnenden wissen, daß er in dieser Zeltstadt weilt und bitten ihn um Erleuchtung.«
»Der Große Wissende?« fragte Bastian. »Wer ist das?«»Sein Name«, antworteten alle sechs Eulen zugleich, »ist Bastian Balthasar Bux.«
»Ihr habt ihn schon gefunden«, antwortete er, »ich bin es.«
Die Eulen verbeugten sich ruckartig tief, was trotz ihrer erschreckenden Größe beinahe possierlich aussah.
»Die drei Tief Sinnenden«, sagte die erste Eule, »bitten in Demut und Ehrfurcht um deinen Besuch, auf daß du ihnen die Frage lösest, die sie in ihrem langen Leben nicht lösen konnten.«
Bastian strich sich nachdenklich das Kinn.
»Gut«, antwortete er schließlich, »aber ich möchte meine beiden Schüler mitnehmen.« »Wir sind sechs«, erwiderte die Eule, »je zwei von uns können einen von euch tragen.« Bastian wandte sich zu dem blauen Dschinn.
»Illuán, hole Atréju und Xayíde!«
Der Dschinn entfernte sich rasch.
»Welche Frage ist es«, wollte Bastian wissen, »die ich beantworten soll?«
»Großer Wissender«, erklärte eine der Eulen, »wir sind nur arme unwissende Flugboten und gehören nicht einmal zum niedersten Rang der Mönche der Erkenntnis. Wie könnten wir dir die Frage mitteilen, die die drei Tief Sinnenden in ihrem langen Leben nicht lösen konnten.« Nach wenigen Minuten kam Illuán mit Atréju und Xayíde zurück. Er hatte ihnen unterwegs rasch erklärt, worum es ging.
Als Atréju vor Bastian stand, fragte er leise:
»Warum ich?«
»Ja«, erkundigte sich auch Xayíde, »warum er?«
»Das werdet ihr erfahren«, entgegnete Bastian.
Es zeigte sich, daß die Eulen vorausschauenderweise drei Trapeze mitgebracht hatten. Je zwei von ihnen ergriffen nun mit ihren Krallen die Seile, an denen diese Trapeze hingen, Bastian, Atréju und Xayíde setzten sich auf die Stangen, und die großen Nachtvögel erhoben sich mit ihnen in die Luft.
Als sie das Sternenkloster Gigam erreichten, zeigte sich, daß die große Kuppel nur der oberste Teil eines sehr weitläufigen Gebäudes war, das sich aus vielen würfelartigen Trakten zusammensetzte. Es hatte zahllose kleine Fenster und stand mit der hohen Außenmauer direkt an einem Felsenabsturz. Für ungebetene Besucher war es schwer oder gar nicht zugänglich.
In den würfelartigen Trakten lagen die Zellen der Mönche der Erkenntnis, die Bibliotheken, die Wirtschaftsräume und die Unterkünfte für die Boten. Unter der großen Kuppel befand sich der Versammlungssaal, in dem die drei Tief Sinnenden ihre Lehrstunden abhielten. Die Mönche der Erkenntnis waren Phantásier der verschiedensten Gestalt und Herkunft. Aber wenn sie in dieses Kloster eintreten wollten, so mußten sie jede Verbindung mit ihrem Land und ihrer Familie abbrechen. Das Leben dieser Mönche war hart und entsagungsvoll und einzig und allein der Weisheit und der Erkenntnis gewidmet. Bei weitem nicht jeder, der es wollte, wurde in die Gemeinschaft aufgenommen. Die Prüfungen waren streng und die drei Tief Sinnenden unerbittlich. So kam es, daß fast nie mehr als dreihundert Mönche hier lebten, doch bildeten diese dadurch die Auslese der Klügsten in ganz Phantasien. Es hatte schon Zeiten gegeben, wo die Bruder-und Schwesternschaft auf nur sieben Mitglieder zusammengeschrumpft war. Doch hatte das nichts an der Strenge der Prüfungen geändert. Zur Zeit war die Anzahl der Mönche und Mönchinnen etwas über zweihundert.
Als Bastian, gefolgt von Atréju und Xayíde, nun in den großen Lehrsaal
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