Die unendliche Geschichte
unendliche phantásische Reich hinterlassen habe und daß er von nun an ihre Stelle einnehme. Er forderte sie auf, vollständige Unterwerfung unter seinen Willen zu geloben.
»Auch und gerade dann«, fügte er hinzu, »wenn meine Entscheidungen für euch bisweilen unbegreiflich sein sollten. Denn ich bin nicht euresgleichen.«
Dann setzte er fest, daß er sich genau siebenundsiebzig Tage später selbst zum Kindlichen Kaiser von Phantasien krönen wolle. Es solle eine Feierlichkeit von solcher Pracht geben, wie sie selbst in Phantasien noch nie gewesen sei. Man solle auf der Stelle Boten in alle Lande aussenden, denn er wünsche, daß jedes Volk des phantásischen Reiches einen Vertreter zur Krönungsfestlichkeit entsende.Damit zog Bastian sich zurück und ließ die ratlosen Ratgeber und Würdenträger allein.
Sie wußten nicht, wie sie sich verhalten sollten. Alles, was sie gehört hatten, klang in ihren Ohren so ungeheuerlich, daß sie zunächst lange Zeit schweigend dastanden und die Köpfe einzogen. Dann begannen sie leise, sich zu unterreden. Und nach stundenlanger Beratung kamen sie überein, daß sie Bastians Anweisungen Folge leisten mußten, denn er trug ja das Zeichen der Kindlichen Kaiserin, und das verpflichtete sie zum Gehorsam - ob sie nun glaubten, daß Mondenkind tatsächlich alle Macht an Bastian abgetreten hatte oder ob diese ganze Angelegenheit wiederum nur einer ihrer unbegreiflichen Ratschlüsse war. Die Boten wurden also ausgeschickt, und auch sonst wurde alles befolgt, was Bastian angeordnet hatte. Er selbst kümmerte sich allerdings nicht mehr darum. Alle Einzelheiten für die Vorbereitung der Krönungsfeierlichkeit überließ er Xayíde. Und sie verstand es, den Hofstaat im Elfenbeinturm zu beschäftigen - so sehr, daß kaum noch irgend jemand dazukam, nachzudenken.
Bastian selbst saß während der nächsten Tage und Wochen meist reglos in dem Gemach, das er sich erwählt hatte. Er starrte vor sich hin und tat nichts. Er hätte sich gern irgend etwas gewünscht oder eine Geschichte erfunden, die ihn unterhielt, aber es fiel ihm nichts mehr ein. Er fühlte sich leer und hohl.
So verfiel er schließlich auf die Idee, er könne Mondenkind herbeiwünschen. Und wenn er nun tatsächlich allmächtig war, wenn alle seine Wünsche Wirklichkeit wurden, so mußte auch sie ihm gehorchen. Halbe Nächte lang saß er und flüsterte vor sich hin: »Mondenkind, komm! Du mußt kommen. Ich befehle dir zu kommen.« Und er dachte an ihren Blick, der wie ein leuchtender Schatz in seinem Herzen gelegen hatte. Aber sie kam nicht. Und je öfter er es versuchte, sie herbeizuzwingen, desto mehr erlosch die Erinnerung an jenes Leuchten m seinem Herzen, bis es ganz dunkel in ihm war.
Er redete sich ein, daß er alles wiederfinden würde, wenn er erst in dem MagnolienblütenPavillon säße. Immer wieder lief er zu den Handwerkern und trieb sie an, teils mit Drohungen, teils mit Versprechungen, aber alles, was sie taten, erwies sich als unnütz. Die Leitern zerbrachen, die Stahlnägel verbogen sich, die Meißel zersprangen.
Die Herren Hýkrion, Hýsbald und Hýdorn, mit denen Bastian bisweilen gern geplaudert oder irgendwelche Spiele gespielt hätte, waren nur noch selten zu etwas zu gebrauchen. Sie hatten in den tiefsten Stockwerken des Elfenbeinturms einen Weinkeller entdeckt. Dort saßen sie nun bei Tag und Nacht, tranken, würfelten, grölten dumme Lieder oder stritten sich, wobei sie nicht selten sogar gegeneinander die Schwerter zogen. Manchmal durchstreiften sie auch torkelnd die Hauptstraße und belästigten die Feen, Elfen, Wildweibchen und andere weibliche Wesen im Turm.
»Was willst du, Herr«, sagten sie, wenn Bastian sie zur Rede stellte, »du mußt uns eben was zu tun geben.«
Aber Bastian fiel nichts ein, und er vertröstete sie bis nach seiner Krönung, obgleich er selbst nicht wußte, was sich durch sie ändern sollte.
Nach und nach wurde auch das Wetter immer trüber. Die Sonnenuntergänge, die wie fließendes Gold aussahen, gab es immer seltener. Der Himmel war meist grau und bedeckt, und die Luft wurde stickig. Kein Wind regte sich mehr.
So kam langsam der festgesetzte Tag der Krönung heran.
Die ausgesandten Boten kehrten zurück. Viele von ihnen brachten Abgeordnete aus den verschiedensten Ländern Phantásiens mit. Manche aber kamen auch unverrichteterdinge wieder und meldeten, die Einwohner, zu denen sie geschickt worden waren, hätten sich schlankweg geweigert, an der Zeremonie
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