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Die unendliche Geschichte

Die unendliche Geschichte

Titel: Die unendliche Geschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Ende
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er, »du wolltest mir das Zeichen der Kindlichen Kaiserin stehlen, um es dir selbst anzueignen. Und du, Fuchur, hast es gewußt und mit ihm geplant. Ihr beide habt damit nicht nur die Freundschaft besudelt, die einmal zwischen uns bestand, ihr habt euch auch des schlimmsten Verbrechens gegen den Willen Mondenkinds, schuldig gemacht, die mir das Kleinod gegeben hat. Bekennt ihr euch schuldig?«
    Atréju warf Bastian einen langen Blick zu, dann nickte er.
    Bastian versagte die Stimme, und er mußte zweimal ansetzen, ehe er weitersprechen konnte. »Ich denke daran, Atréju, daß du es warst, der mich zur Kindlichen Kaiserin gebracht hat. Und ich denke an Fuchurs Gesang in Amargánth. Darum will ich euch euer Leben schenken, das Leben eines Diebes und eines Diebsgesellen. Macht damit, was ihr wollt. Aber geht fort von mir, so weit ihr könnt, und wagt es nie wieder, mir vor die Augen zu treten. Ich verbanne euch für immer. Ich habe euch nie gekannt!«Er machte Hýkrion mit dem Kopf ein Zeichen, Atréjus Fesseln zu lösen, dann wandte er sich ab und setzte sich wieder.
    Atréju stand lange Zeit, ohne sich zu bewegen, dann warf er einen Blick auf Bastian. Er schien etwas sagen zu wollen, aber dann überlegte er es sich anders. Er beugte sich zu Fuchur nieder und flüsterte ihm etwas zu. Der Glücksdrache öffnete die Augen und richtete sich auf. Atréju sprang auf seinen Rücken, und Fuchur erhob sich in die Luft. Er flog geradewegs in den immer heller werdenden Morgenhimmel hinein, und obgleich seine Bewegungen schwer und mühsam waren, war er doch in wenigen Augenblicken in der Ferne verschwunden. Bastian stand auf und ging in sein Zelt. Er warf sich auf sein Lager.
    »Nun hast du wahrhafte Größe erreicht«, sagte leise eine sanfte, verschleierte Stimme, »nun liegt dir an nichts mehr, und nichts kann dich mehr erreichen.«
    Bastian setzte sich auf. Es war Xayíde, die gesprochen hatte. Sie hockte in der dunkelsten Ecke des Zeltes.
    »Du?« fragte Bastian, »wie bist du hereingekommen?«
    Xayíde lächelte.
    »Für mich, Herr und Meister, gibt es keine Wachen, die mich zurückhalten können. Das könnte nur dein Befehl. Schickst du mich fort?«
    Bastian legte sich zurück und schloß die Augen wieder. Nach einer Weile murmelte er: »Es ist mir gleich. Bleib oder geh!«
    Sie beobachtete ihn lange Zeit unter halbgesenkten Lidern. Dann erkundigte sie sich: »Woran denkst du, Herr und Meister?«
    Bastian drehte sich von ihr fort und antwortete nicht.
    Es war Xayíde klar, daß sie ihn jetzt auf keinen Fall sich selbst überlassen durfte. Er war nahe daran, ihr zu entgleiten. Sie mußte ihn trösten und aufmuntern - auf ihre Art. Sie mußte ihn dazu bringen, auf dem Weg weiterzugehen, den sie für ihn vorgesehen hatte - und für sich selbst. Und diesmal würde die Sache nicht mit einem Zaubergeschenk oder einem einfachen Trick zu machen sein. Sie mußte zu stärkeren Mitteln greifen. Zum stärksten, das ihr zur Verfügung stand, zu Bastians heimlichsten Wünschen. Sie setzte sich neben ihn und flüsterte ihm ins Ohr:
    »Wann, mein Herr und Meister, willst du zum Elfenbeinturm ziehen?«
    »Ich weiß es nicht«, sagte Bastian in seine Kissen hinein, »was soll ich dort noch, wenn Mondenkind nicht da ist? Ich weiß überhaupt nicht mehr, was ich jetzt noch soll.« »Du könntest hinziehen, um die Kindliche Kaiserin dort zu erwarten.«
    Bastian wandte sich Xayíde zu.
    »Glaubst du, sie wird zurückkommen?«
    Er mußte seine Frage noch einmal dringender wiederholen, ehe Xayíde zögernd antwortete: »Ich glaube es nicht. Ich glaube, daß sie für immer Phantasien verlassen hat und daß du ihr Nachfolger bist, Herr und Meister.«
    Bastian richtete sich langsam auf. Er blickte in Xayídes zweifarbige Augen, und es dauerte eine Weile, bis er ganz begriffen hatte, was sie ihm da sagte.
    »Ich?« stieß er hervor. Auf seinen Wangen zeigten sich rote Flecken.
    »Erschreckt dich dieser Gedanke so sehr?« flüsterte Xayíde. »Sie hat dir das Zeichen ihrer Vollmacht gegeben. Sie hat dir ihr Reich überlassen. Du wirst nun der Kindliche Kaiser sein, mein Herr und Meister. Und es ist dein gutes Recht. Du hast Phantasien nicht nur gerettet, indem du kamst, du hast es doch erst geschaffen ! Wir alle - auch ich selbst -sind nur deine Geschöpfe! Du bist der Große Wissende, warum erschreckt es dich nun, auch die Allmacht zu ergreifen, die dir doch nach allem gebührt?«
    Und während Bastians Augen mehr und mehr in einem kalten Fieber zu

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