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Die unendliche Geschichte

Die unendliche Geschichte

Titel: Die unendliche Geschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Ende
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da sang. Er klopfte also an die Tür, und die Stimme rief:»Herein! Herein, mein schöner Bub!«
    Er öffnete die Tür und sah eine gemütliche, nicht sehr große Stube, durch deren Fenster die Sonne hereinschien. In der Mitte stand ein runder Tisch, gedeckt mit allerlei Schalen und Körben voll bunter Früchte, die Bastian nicht kannte. Am Tisch saß eine Frau, die selbst ein wenig aussah wie ein Apfel, so rotbackig und rund, so gesund und appetitlich. Im allerersten Augenblick war Bastian fast überwältigt von dem Wunsch, mit ausgebreiteten Armen auf sie zuzulaufen und »Mama! Mama!« zu rufen. Aber er beherrschte sich. Seine Mama war tot und ganz gewiß nicht hier in Phantasien. Diese Frau hatte zwar dasselbe liebe Lächeln und dieselbe vertrauenerweckende Art, einen anzusehen, aber die Ähnlichkeit war höchstens die einer Schwester. Seine Mutter war klein gewesen, und diese Frau hier war groß und irgendwie imposant. Sie trug einen breiten Hut, der über und über voller Blumen und Früchte war, und auch ihr Kleid war aus einem farbenprächtigen geblümten Stoff. Erst nachdem er es eine Weile betrachtet hatte, bemerkte er, daß es in Wirklichkeit ebenfalls aus Blättern, Blüten und Früchten war. Während er so stand und sie ansah, überkam ihn ein Gefühl, wie er es schon lange, lange nicht mehr gekannt hatte. Er konnte sich nicht erinnern, wann und wo, er wußte nur, daß er sich manchmal so gefühlt hatte, als er noch klein war.
    »Setz dich doch, mein schöner Bub !« sagte die Frau und wies mit einer einladenden Handbewegung auf einen Stuhl, »du wirst sicher hungrig sein, also iß erst einmal!« »Entschuldigung«, antwortete Bastian, »du erwartest doch einen Gast. Aber ich bin nur ganz zufällig hier.«
    »Tatsächlich?« fragte die Frau und schmunzelte, »na, das macht nichts. Deswegen kannst du doch trotzdem essen, nicht wahr? Ich werde dir inzwischen eine kleine Geschichte erzählen. Greif zu und laß dich nicht lang bitten!«
    Bastian zog seinen schwarzen Mantel aus, legte ihn über den Stuhl, setzte sich und griff zögernd nach einer Frucht. Ehe er hineinbiß, erkundigte er sich:
    »Und du? Ißt du nichts? Oder magst du kein Obst?«
    Die Frau lachte laut und herzlich, Bastian wußte nicht worüber.
    »Gut«, sagte sie, nachdem sie sich gefaßt hatte, »wenn du darauf bestehst, will ich dir Gesellschaft leisten und auch etwas zu mir nehmen, aber auf meine Art. Erschrick nicht!« Damit griff sie nach einer Gießkanne, die neben ihr auf dem Boden stand, hielt sie sich über den Kopf und begoß sich selbst.
    »Ah!« machte sie, »das erfrischt!«
    Jetzt war es Bastian, der lachte. Dann biß er in die Frucht und stellte sogleich fest, daß er etwas so Gutes noch nie gegessen hatte. Danach aß er eine andere, und die war sogar noch besser.
    »Schmeckt’s?« fragte die Frau, die ihn aufmerksam beobachtete.
    Bastian hatte den Mund voll und konnte nicht antworten, er kaute und nickte. »Das freut mich«, meinte die Frau, »ich habe mir auch besondere Mühe damit gegeben. Iß nur weiter, soviel du magst!«
    Bastian griff nach einer neuen Frucht, und die war nun erst vollends ein Fest. Er seufzte hingerissen.
    »Und nun will ich dir erzählen«, fuhr die Frau fort, »laß dich nur nicht beim Essen stören.« Bastian mußte sich Mühe geben, ihren Worten zuzuhören, denn jede neue Frucht verursachte ihm neues Entzücken.
    »Vor langer, langer Zeit«, begann die geblümte Frau, »war unsere Kindliche Kaiserin todkrank, denn sie brauchte einen neuen Namen, und den konnte ihr nur ein Menschenkind geben. Aber Menschen kamen nicht mehr nach Phantasien, niemand wußte warum. Und wenn sie sterben mußte, dann wäre es auch das Ende von Phantasien gewesen. Da kam eines Tages oder, besser gesagt, eines Nachts doch wieder ein Mensch - es war ein kleiner Bub, und der gab der Kindlichen Kaiserin den Namen Mondenkind. Sie wurde wieder gesund, und zum Dank versprach sie dem Buben, daß alle seine Wünsche in ihrem Reich Wirklichkeit werden sollten - so lange, bis er seinen Wahren Willen gefunden hätte. Von da an machte der kleine Bub eine lange Reise, von einem Wunsch zum anderen, und jeder erfüllte sich. Und jede Erfüllung führte ihn zu einem neuen Wunsch. Und es waren nicht nur gute Wünsche, sondern auch schlimme, aber die Kindliche Kaiserin macht keinen Unterschied, für sie gilt alles gleich und alles ist gleich wichtig in ihrem Reich. Und auch als schließlich der Elfenbeinturm dabei zerstört wurde, tat sie

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