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Die unendliche Geschichte

Die unendliche Geschichte

Titel: Die unendliche Geschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Ende
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goldenen Augen und hielt ihm stand. Es war wie ein schweigender und regloser Kampf. Schließlich beugte sich der Alte wieder über sein Buch und schrieb: »Wahre die Grenze, die auch dir gesetzt ist!«
    »Das will ich«, antwortete sie, »aber der, von dem ich rede und auf den ich warte, hat sie längst überschritten. Er liest in diesem Buch, in dem du schreibst, und vernimmt jedes Wort, das wir sprechen. Er ist also bei uns. «
    »Wahr«, hörte sie die Stimme des Alten, während er schrieb, »auch er gehört schon unwiderruflich zur Unendlichen Geschichte, denn es ist seine eigene Geschichte.« »Erzähle sie mir!« befahl die Kindliche Kaiserin. »Du, der du die Erinnerung Phantasiens bist, erzähle sie mir - von Anfang an und Wort für Wort, so wie du sie geschrieben hast!« Die schreibende Hand des Alten begann zu zittern.
    »Wenn ich das tue, so muß ich auch alles von neuem schreiben. Und was ich schreibe, wird von neuem geschehen.«
    »So soll es sein!« sagte die Kindliche Kaiserin.
    Bastian wurde unbehaglich zumut.
    Was mochte sie vorhaben? Irgend etwas hatte es mit ihm zu tun. Aber wenn selbst dem Alten vom Wandernden Berge die Hand zu zittern anfing…
    Der Alte schrieb und sagte:
    »Wenn die Unendliche Geschichte
sich selbst enthält,
dann geht die Welt
in diesem Buch zunichte!«
    Und die Kindliche Kaiserin antwortete:
    »Doch wenn der Held
sich uns gesellt,
kann neues Leben sprießen.
Er muß sich jetzt entschließen!«
    »Wahrlich, du bist schrecklich«, sagte und schrieb der Alte, »das bedeutet das Ende ohne Ende. Wir werden eintreten in den Kreis der ewigen Wiederkehr. Daraus gibt es kein Entrinnen.«
    »Für uns nicht«, antwortete sie und ihre Stimme war nicht mehr sanft, sondern hart und klar wie ein Diamant, »aber auch für ihn nicht - es sei denn, er rettet uns alle.«
    »Willst du wirklich alles in die Hände eines Menschenkindes legen?«
    »Das will ich.«
    Und dann fügte sie leiser hinzu:
    »Oder weißt du anderen Rat?«
    Lang war es still, ehe die dunkle Stimme des Alten sagte:
    »Nein.«
    Er stand tief über das Buch gebeugt, in dem er schrieb. Sein Gesicht war von der Kapuze verdeckt und nicht mehr zu sehen.
    »Dann tu, worum ich dich gebeten habe!«
    Der Alte vom Wandernden Berge unterwarf sich dem Willen der Kindlichen Kaiserin und begann, ihr die Unendliche Geschichte von Anfang an zu erzählen.
    In diesem Augenblick wechselte der Lichtschein, der aus den Seiten des Buches strahlte, die Farbe. Er wurde rötlich wie die Schriftzeichen, die sich jetzt unter dem Stift des Alten bildeten. Auch seine Mönchskutte und die Kapuze waren nun kupferfarben. Und während er schrieb, erklang zugleich seine tiefe Stimme.
    Auch Bastian hörte sie ganz deutlich. Dennoch waren ihm die ersten Worte, die der Alte sprach, unverständlich. Sie klangen etwa wie »Tairauqitna rednaerok darnok lrak rebahni«.
    Merkwürdig, dachte Bastian, warum redete der Alte plötzlich in einer fremden Sprache? Oder war es vielleicht eine Zauberformel?
    Die Stimme des Alten fuhr fort und Bastian mußte ihr folgen.
    »Diese Inschrift stand auf der Glastür eines kleinen Ladens, aber so sah sie natürlich nur aus, wenn man vom Inneren des dämmerigen Raumes durch die Scheibe auf die Straße hinausblickte.
    Draußen war ein grauer, kalter Novembermorgen und es regnete in Strömen. Die Tropfen liefen am Glas herunter und über die geschnörkelten Buchstaben. Alles, was man durch die Scheibe sehen konnte, war eine graue, regenfleckige Mauer auf der anderen Straßenseite.«
    Die Geschichte kenne ich gar nicht, dachte Bastian etwas enttäuscht, sie kommt überhaupt nicht in dem Buch vor, das ich bis jetzt gelesen habe. Na ja, jetzt zeigt es sich ja, daß ich mich eben doch die ganze Zeit geirrt habe. Ich hab’ schon wirklich geglaubt, der Alte würde jetzt anfangen, die Unendliche Geschichte von vorn zu erzählen.
    »Plötzlich wurde die Tür so heftig aufgerissen, daß eine kleine Traube von Messingglöckchen, die über ihr hing, aufgeregt zu bimmeln begann und sich eine ganze Weile nicht wieder beruhigen konnte.
    Der Urheber dieses Tumults war ein kleiner, dicker Junge von vielleicht zehn oder elf Jahren. Das dunkelbraune Haar hing ihm naß ins Gesicht, sein Mantel war vom Regen durchweicht und tropfte, an einem Riemen über der Schulter trug er eine Schulmappe. Er war ein wenig blaß und außer Atem, aber ganz im Gegensatz zu der Eile, die er eben noch gehabt hatte, stand er nun wie angewurzelt in der offenen

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