Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die unendliche Geschichte

Die unendliche Geschichte

Titel: Die unendliche Geschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Ende
Vom Netzwerk:
Tür…«
    Während Bastian dies las und zugleich die tiefe Stimme des Alten vom Wandernden Berge hörte, begann es ihm in den Ohren zu brausen und vor den Augen zu flimmern. Was da erzählt wurde, war seine eigene Geschichte! Und die war in der Unendlichen Geschichte. Er, Bastian, kam als Person in dem Buch vor, für dessen Leser er sich bis jetzt gehalten hatte! Und wer weiß, welcher andere Leser ihn jetzt gerade las, der auch wieder nur glaubte, ein Leser zu sein - und so immer weiter bis ins Unendliche!
    Jetzt bekam Bastian es mit der Angst. Er hatte plötzlich das Gefühl, keine Luft mehr zu bekommen. Er fühlte sich wie in einem unsichtbaren Gefängnis eingeschlossen. Er wollte aufhören, wollte nicht mehr weiter lesen.
    Aber die tiefe Stimme des Alten vom Wandernden Berge fuhr fort, zu erzählen,
    und Bastian konnte nichts dagegen tun. Er hielt sich die Ohren zu, aber es nützte nichts, denn die Stimme klang in seinem Inneren. Obwohl er längst wußte, daß es nicht so war, klammerte er sich noch an den Gedanken, daß diese Übereinstimmung mit seiner eigenen Geschichte vielleicht doch nur ein verrückter Zufall war,
    aber die tiefe Stimme sprach unerbittlich weiter
    und nun hörte er ganz deutlich, wie sie sagte:
    »… Manieren hast du nicht für fünf Pfennig, sonst hättest du dich wenigstens erst mal vorgestellt.«
    »Ich heiße Bastian«, sagte der Junge, »Bastian Balthasar Bux.«
    In diesem Augenblick machte Bastian eine schwerwiegende Erfahrung: Man kann davon überzeugt sein, sich etwas zu wünschen - vielleicht jahrelang - solang man weiß, daß der Wunsch unerfüllbar ist. Steht man aber plötzlich vor der Möglichkeit, daß der Wunschtraum Wirklichkeit wird, dann wünscht man sich nur noch eins: Man hätte es sich nie gewünscht. So jedenfalls erging es Bastian.
    Jetzt, wo es unerbittlicher Ernst wurde, wäre er am liebsten davongelaufen. Nur, daß es in diesem Fall kein »davon« mehr gab. Und deshalb tat er, was ihm freilich ganz und gar nichts nützen konnte: Er stellte sich einfach tot wie ein Käfer, der auf dem Rücken liegt. Er wollte so tun, als gäbe es ihn nicht, er wollte sich still halten und so klein wie möglich machen.
    Der Alte vom Wandernden Berge fuhr fort zu erzählen und zugleich von neuem aufzuschreiben, wie Bastian das Buch gestohlen hatte, wie er auf den Speicher des Schulhauses geflohen war und dort zu lesen anfing. Und nun begann Atréjus Suche noch einmal, er kam zur Uralten Morla und fand Fuchur in Ygramuls Netz am Tiefen Abgrund, wo er Bastians Schreckensruf hörte. Noch einmal wurde er von der alten Urgl geheilt und von Engywuck belehrt. Er schritt durch die drei Magischen Tore und ging in Bastians Bild hinein und redete mit der Uyulála. Und dann kamen die Windriesen und Spukstadt und Gmork und Atréjus Rettung und Rückkehr zum Elfenbeinturm. Und dazwischen geschah auch alles das, was Bastian erlebt hatte, das Anzünden der Kerzen und wie er die Kindliche Kaiserin gesehen hatte und sie vergeblich darauf wartete, daß er käme. Und noch einmal machte sie sich auf, um den Alten vom Wandernden Berge zu suchen, noch einmal stieg sie die Buchstabenleiter empor und trat in das Ei und noch einmal vollzog sich das ganze Gespräch, Wort für Wort, das die beiden miteinander geführt hatten und das damit endete, daß der Alte vom Wandernden Berge die Unendliche Geschichte zu schreiben und zu erzählen begann. Und hier fing alles wieder von vorne an - unverändert und unabänderlich -und wiederum endete alles bei der Begegnung der Kindlichen Kaiserin mit dem Alten vom Wandernden Berge, der abermals die Unendliche Geschichte zu schreiben und zu erzählen begann…
    … .und es würde in alle Ewigkeit so fortgehen, denn es war ja ganz unmöglich, daß etwas sich am Ablauf der Dinge ändern konnte. Nur er allein, Bastian, konnte eingreifen’. Und er mußte es tun, wenn er nicht selbst in diesem Kreislauf eingeschlossen bleiben wollte. Ihm kam es so vor, als habe sich die Geschichte schon tausendmal wiederholt, nein, als gäbe es kein Vorher und kein Nachher, sondern als sei alles für immer gleichzeitig da. Jetzt begriff er, warum die Hand des Alten gezittert hatte. Der Kreis der ewigen Wiederkehr war das Ende ohne Ende! Bastian fühlte nicht, daß ihm Tränen über das Gesicht liefen. Fast besinnungslos schrie er plötzlich: »Mondenkind! Ich komme!«
    Im selben Augenblick geschahen mehrere Dinge zugleich.
    Die Schale des großen Eis wurde von einer ungeheuren Gewalt in Stücke

Weitere Kostenlose Bücher