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Die unendliche Geschichte

Die unendliche Geschichte

Titel: Die unendliche Geschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Ende
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werden, wenn der vorhergehende, der es vermocht hatte, ganz und gar vergessen war und auch keine steinerne oder eherne Inschrift mehr von ihm zeugte. So war jeder, der es vollbrachte, immer der erste.
    Hier oben konnte kein lebendes Wesen existieren, außer einigen riesenhaften Eisbolden - falls man diese überhaupt zu den lebenden Wesen rechnen wollte, denn sie bewegten sich so unvorstellbar langsam, daß sie Jahre zu einem einzigen Schritt brauchten und Jahrhunderte zu einem kleinen Spaziergang. So war es klar, daß sie nur mit ihresgleichen verkehren konnten und vom Vorhandensein der übrigen phantåsischen Welt nicht die geringste Ahnung hatten. Sie hielten sich für die einzigen Lebewesen des Universums.
    Um so fassungsloser glotzten sie nun auf jenes winzige Pünktchen hinunter, das sich auf gewundenen Wegen, auf kaum betretbaren Felsvorsprüngen an eisglänzenden senkrechten Wänden, über messerscharfe Grate und durch tiefe Schluchten und Risse, immer mehr dem Gipfel näherte.
    Es war die gläserne Sänfte, in der die Kindliche Kaiserin ruhte und die von vieren ihrer unsichtbaren Mächte getragen wurde. Sie hob sich kaum von der Umgebung ab, denn das Glas der Sänfte glich einem klaren Stück Eis, und das weiße Gewand und die Haare der Kindlichen Kaiserin waren vom Schnee ringsum fast nicht zu unterscheiden. Lang war sie nun schon unterwegs, viele Tage und Nächte, durch Regen und Sonnenglut, durch Finsternisse und Mondlicht hatten die vier Mächte ihre Sänfte getragen, immer weiter, wie sie es befohlen hatte, immer weiter, irgendwohin. Sie machte keinen Unterschied zwischen dem, was für sie erträglich und dem, was für sie unerträglich sein mochte, so wie sie früher alles in ihrem Reich, das Finstere und das Lichte, das Schöne und das Häßliche hatte gleich gelten lassen. Sie war bereit, sich allem auszusetzen, denn der Alte vom Wandernden Berge konnte überall und nirgends sein.
    Dennoch war die Wahl des Weges, den ihre vier unsichtbaren Mächte einschlugen, nicht ganz zufällig. Immer häufiger ließ das Nichts, das nun schon ganze Länder verschlungen hatte, ihnen nur einen einzigen Pfad als Ausweg frei. Manchmal war es eine Brücke, eine Höhle oder ein Tor gewesen, durch das sie gerade noch hatten entschlüpfen können, manchmal waren es sogar die Wellen eines Sees oder eines Meeresarms, über die die Mächte die Sänfte mit der Todkranken hintrugen, denn für diese Träger gab es keinen Unterschied zwischen fest und flüssig.
    Und so waren sie schließlich in die eisstarrende Gipfelwelt des Schicksalsgebirges emporgestiegen und stiegen weiter, unaufhaltsam und unermüdlich. Und ehe die Kindliche Kaiserin ihnen keinen anderslautenden Befehl gab, würden sie sie immer weiter emportragen. Aber sie lag in ihren Kissen, hatte die Augen geschlossen und regte sich nicht. So lag sie schon seit langem. Und das letzte Wort, das sie gesprochen hatte, war jenes »irgendwohin« gewesen, das sie beim Abschied vom Elfenbeinturm befohlen hatte.
    Die Sänfte bewegte sich jetzt durch eine tiefe Klamm, einen Einschnitt zwischen zwei Felswänden, die kaum weiter auseinander standen, als die Sänfte breit war. Der Boden war mit lockerem Schnee bedeckt, der metertief sein mochte, aber die unsichtbaren Träger sanken nicht ein und hinterließen noch nicht einmal Fußstapfen. Es war sehr dunkel am Grunde dieser Felsenspalte, denn das Tageslicht war nur ein schmaler Streifen hoch droben. Der Weg führte sacht aufwärts und je höher die Sänfte kam, desto näher rückte der Streifen Tageslicht. Dann, fast unerwartet, traten die Felswände plötzlich ganz beiseite und gaben den Blick auf eine weite, weißglitzernde Fläche frei. Dies war die höchste Stelle, denn das Schicksalsgebirge gipfelte nicht in einer Spitze, wie die meisten anderen Berge, sondern in dieser Hochebene, die so weit war wie ein Land.
    Jetzt aber erhob sich mitten auf dieser Fläche überraschenderweise ein kleinerer Berg von eigentümlichem Aussehen. Er war ziemlich schmal und hoch, ähnlich wie der Elfenbeinturm, aber von leuchtendem Blau. Er bestand aus vielen bizarr geformten Zacken, die wie lauter riesenhafte umgekehrte Eiszapfen in den Himmel ragten. Etwa auf halber Höhe dieses Berges stand auf drei solchen Zackenspitzen ein Ei von der Größe eines Hauses.
    Im Halbkreis um dieses Ei und dahinter ragten größere blaue Zapfen wie die Pfeifen einer gewaltigen Orgel in die Höhe und bildeten den eigentlichen Gipfel. Das große Ei hatte eine

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