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Die unendliche Geschichte

Die unendliche Geschichte

Titel: Die unendliche Geschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Ende
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gesprengt, wobei ein dunkles Donnergrollen zu hören war. Dann brauste ein Sturmwind von fern heran
    und fuhr aus den Seiten des Buches heraus, das Bastian auf den Knieen hielt, so daß sie wild zu flattern begannen. Bastian fühlte den Sturm in seinem Haar und Gesicht, er nahm ihm fast den Atem, die Kerzenflammen des siebenarmigen Leuchters tanzten und legten sich waagrecht, und dann fuhr ein zweiter, noch gewaltigerer Sturmwind in das Buch hinein und die Lichter erloschen. Die Turmuhr schlug zwölf.



Mondenkind,ich komme!« sagte Bastian noch einmal leise in die Dunkelheit hinein. Er fühlte von diesem Namen eine unbeschreiblich süße, tröstliche Kraft ausgehen, die ihn ganz erfüllte. Darum sagte er ihn gleich noch ein paarmal vor sich hin:
    »Mondenkind ! Mondenkind! Ich komme, Mondenkind! Ich bin schon da.« Aber wo war er?
    Er konnte nicht den geringsten Lichtschein sehen, aber was ihn umgab, war nicht mehr die frostige Finsternis des Speichers, sondern ein samtenes, warmes Dunkel, in dem er sich geborgen und glücklich fühlte.
    Alle Angst und Beklemmung war von ihm abgefallen. Er erinnerte sich nur noch daran, wie an etwas längst Vergangenes. Ihm war so heiter und leicht zumut, daß er sogar leise lachte. »Mondenkind, wo bin ich?« fragte er.
    Er fühlte die Schwere seines Körpers nicht mehr. Er tastete mit den Händen herum und wurde sich bewußt, daß er schwebte. Da waren keine Matten mehr und kein fester Boden. Es war eine wunderbare, nie gekannte Empfindung, ein Gefühl von Losgelöstheit und grenzenloser Freiheit. Nichts, was ihn je belastet und beengt hatte, konnte ihn nun noch erreichen.
    Schwebte er am Ende irgendwo im Weltall? Aber im Weltall gab es doch Sterne und er konnte nichts dergleichen sehen. Es gab nur noch das samtene Dunkel und ihm war so wohl, so wohl wie nie zuvor in seinem Leben. War er vielleicht gestorben?
    »Mondenkind, wo bist du?«
    Und nun hörte er eine vogelzarte Stimme, die ihm antwortete und vielleicht schon mehrmals geantwortet hatte, ohne daß er dessen innegeworden war. Er hörte sie ganz nah und hätte doch nicht sagen können, aus welcher Richtung sie kam:
    »Hier bin ich, mein Bastian.«
    »Mondenkind, bist du’s?«
    Sie lachte auf eine eigentümlich singende Art.
    »Wer sollte ich wohl sonst sein. Du hast mir doch eben erst diesen schönen Namen gegeben. Ich danke dir dafür. Sei mir willkommen, mein Retter und mein Held.«
    »Wo sind wir, Mondenkind?«»Ich bin bei dir, und du bist bei mir.«
    Es war wie ein Gespräch im Traum, und doch wußte Bastian ganz sicher, daß er wach war und nicht träumte.
    »Mondenkind«, flüsterte er, »ist das nun das Ende?«
    »Nein«, antwortete sie, »es ist der Anfang.«
    »Wo ist Phantasien, Mondenkind? Wo sind die anderen alle? Wo ist Atréju und Fuchur? Ist denn alles verschwunden? Und der Alte vom Wandernden Berge und sein Buch? Gibt es sie nicht mehr?«
    »Phantasien wird aus deinen Wünschen neu entstehen, mein Bastian. Durch mich werden sie Wirklichkeit.«
    »Aus meinen Wünschen?« wiederholte Bastian staunend.
    »Du weißt doch«, hörte er die süße Stimme, »daß man mich die Gebieterin der Wünsche nennt. Was wirst du dir wünschen?«
    Bastian dachte nach, dann fragte er vorsichtig:
    »Wieviele Wünsche habe ich denn frei?«
    »Soviele du willst-je mehr, desto besser, mein Bastian. Um so reicher und vielgestaltiger wird Phantasien sein.«
    Bastian war überrascht und überwältigt. Aber gerade weil er sich plötzlich einer Unendlichkeit von Möglichkeiten gegenüber sah, fiel ihm überhaupt kein Wunsch ein. »Ich weiß nichts«, sagte er schließlich.
    Es war eine Weile still, dann hörte er die vogelzarte Stimme:
    »Das ist schlimm.«
    »Warum?«
    »Weil es dann kein Phantasien mehr geben wird.«
    Bastian schwieg verwirrt. Es störte ein wenig sein Gefühl schrankenloser Freiheit, daß alles von ihm abhängen sollte.
    »Warum ist es so dunkel, Mondenkind?« fragte er.
    »Der Anfang ist immer dunkel, mein Bastian.«
    »Ich möchte dich gern noch einmal sehen, Mondenkind, weißt du, wie in dem Augenblick, als du mich angeschaut hast.«
    Er hörte wieder das leise, singende Lachen.
    »Warum lachst du?«
    »Weil ich froh bin.«
    »Worüber denn?«
    »Du hast eben deinen ersten Wunsch gesagt.«
    »Und wirst du ihn erfüllen?«
    »Ja, streck deine Hand aus!«
    Er tat es und fühlte, daß sie etwas auf seine flache Hand legte. Es war winzig, wog aber seltsam schwer. Kälte ging davon aus und es fühlte sich hart und

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